Welfenresidenz - Königliches Erbe in Braunschweig

Im Jahre 1714, vor knapp 300 Jahren, begann ein bedeutendes Kapitel der Welfengeschichte: Mit der Krönung des hannoverschen Kurfürsten Georg Ludwig zum König Georg I. in Westminster Abbey saßen hannoversche Welfen gleichzeitig auf Englands Thron.

Braunschweig - erste Residenz der Welfen und Startpunkt ihres Aufstiegs

Burgplatz von oben© Braunschweig Stadtmarketing GmbH/Gerald Grote

Braunschweig ist die historisch bedeutende Residenzstadt der Welfen in Norddeutschland. In der Nachbarstadt des späteren Königshauses Hannover begann der Aufstieg der Welfen. Erstmals 1031 urkundlich erwähnt, stieg Braunschweig ab dem 12. Jahrhundert zur Residenz der Welfen auf. Zu dieser Zeit baute Heinrich der Löwe Braunschweig zur Stadt aus. Sie wurde über die Jahrhunderte durch die Welfen geprägt und blieb bis ins 20. Jahrhundert mit einer Unterbrechung Residenz der Welfenherzöge. Die Welfen waren die bedeutendste Herrscherfamilie in Norddeutschland, förderten zahlreiche Innovationen in Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft und trugen so zur prosperierenden Entwicklung des Braunschweiger Landes sowie der Stadt Braunschweig bei.

In Braunschweig illustrieren noch heute viele Sehenswürdigkeiten die Geschichte der Welfendynastie sowie ihre enge Verbindung zum englischen Königshaus. Zu den bekanntesten Sehenswürdigkeiten zählen der Burgplatz mit der Burg Dankwarderode und dem Dom St. Blasii, das Schloss Richmond und der zugehörige Landschaftsgarten sowie das wiedererrichtete Residenzschloss.

Burgplatz

Burgplatz© Braunschweig Stadtmarketing GmbH/okerland-archiv

Der mittelalterliche Herrschersitz der Welfen in der Stadtmitte war die Burg Dankwarderode Heinrichs des Löwen, dem berühmtesten und mächtigsten Sohn der Familie. Heinrich der Löwe heiratete im Jahre 1168 die englische Königstochter Mathilde, Schwester von Richard Löwenherz. Ihr Sohn Otto IV. wuchs am Hofe von Richard Löwenherz auf. Noch heute spürt man am Burgplatz die imperiale Größe der damaligen Zeit. Die ab 1887 frei rekonstruierte Burg führt zurück in die Zeit vor rund 850 Jahren, als sie in der Art von kaiserlichen Pfalzen errichtet wurde. An Heinrich den Löwen erinnert hier noch das Löwenstandbild als Symbol seiner Landesherrschaft, das erste Freidenkmal nördlich der Alpen seit der Antike (der Originallöwe steht in der Burg und ist Teil der Ausstellung des Herzog Anton Ulrich-Museums) sowie das Domstift St. Blasii. Es birgt die Grablege der Welfendynastie und spiegelt die Sorge um das Seelenheil im Jenseits wider. Braunschweig zählte damals schon zu den größten mittelalterlichen Städten.
Nach dem Sturz des Herzogs 1180 durch Kaiser Barbarossa folgten reumütig kostbare Stiftungen für die Ausstattung des Domes: das Heinrichs-Evangeliar (heute in der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel), 1188 der Marienaltar sowie der Siebenarmige Leuchter, noch heute im Dom St. Blasii zu besichtigen.
Auch Heinrichs Nachfolger statteten den Dom weiter aus. So birgt er das Grab von Heinrichs bedeutendstem Sohn, der als Otto IV. zum einzigen Kaiser aus dem Welfengeschlecht aufstieg. Trotz des Sturzes Heinrichs blieben die Welfen um Braunschweig herum begütert und ihre Bundesgenossen, zu denen auch der englische König Richard Löwenherz zählte, hatten 1198 Ottos Wahl zum deutschen König durchgesetzt. 1209 erringt er die deutsch-römische Kaiserkrone, kann sich aber nicht gegen die staufischen Gegner im Reich behaupten. Hier scheitert er und konzentriert sich anschließend, wie sein Vater, auf den Ausbau Braunschweigs.
Um 1235 erhält der Dom mit den gotischen Grabfiguren Heinrichs und Mathildes ein in Deutschland einzigartiges Denkmal zu Ehren des Herzogspaares. Unbekannte Meister aus Magdeburg mit Schulung in den großen Kathedralenportalen in Chartres, Reims und Bamberg schufen es im Vorfeld der Gründung des Herzogtums Braunschweig-Lüneburg im Jahr 1235.

Schloss Richmond

Schloss Richmond© Braunschweig Stadtmarketing GmbH/Daniel Möller

Das Schloss Richmond im Süden Braunschweigs lässt die Trennung der braunschweigischen und der lüneburgischen Welfenlinien nachempfinden, die 1428 vollzogen wurde. Damals entstanden die wichtigsten Teillinien Braunschweig-Wolfenbüttel, die 1884 endgültig ausstarb, und die Linie Braunschweig-Lüneburg-Calenberg, die später zur hannoverschen Welfenlinie wurde. Carl Wilhelm Ferdinand, Erbprinz des aufgeklärten Herzog Carls I., heiratete 1765 Augusta, die Schwester des britischen Königs Georg III. aus dem Haus Braunschweig-Lüneburg bzw. Hannover. Die aus Bündnisabsichten gestiftete Ehe Augustas mit dem Erbprinzen war die einzige, die zwischen den Vetternlinien je stattfand. Konkurrenz bestimmte eher das nachbarschaftliche Verhältnis der Fürstentümer.

Am Londoner Königshof hatte Augusta Weltläufigkeit genossen und so war sie von der Braunschweiger Residenz enttäuscht. Als Entgegenkommen und als Geschenk für die Geburt des Thronfolgers 1766 ließ Augustas Gatte ihr das Lustschloss Richmond als Privatrefugium errichten. Geschickt wurden die süddeutsch-französischen Bauformen des Schlösschens aus der Hand des Architekten Karl Chr. W. Fleischers mit einem englischen Landschaftsgarten verbunden. Diesen schuf hier wie im englischen Richmond, der Heimat Augustas, der Landschaftsgärtner Capability Lancelot Brown. Heute ist der Park wieder weitgehend hergestellt. Braunschweig beherbergt damit einen der ältesten englischen Landschaftsgärten auf dem Kontinent.

Residenzschloss

Residenzschloss© Braunschweig Stadtmarketing GmbH/Steffen und Bach GmbH

In den Jahren 2005 bis 2007 wurden Fassade und Baukörper der jüngsten Welfenresidenz nach dem Entwurf Carl Theodor Ottmers der 1830er Jahre weitgehend originalgetreu wiedererrichtet. Dieses Juwel spätklassizistischer, körperhafter Baukunst hat den Kreis der lokalen Schlossanlagen wieder abgerundet und außer dem neuen Schloss auch seinen Vorgängerbau, den 1830 abgebrannten Grauen Hof, in den Blickpunkt rückt. Die große Residenz wurde von etlichen kleinen Schlössern umgeben, wie im Süden der Stadt durch das erwähnte Lustschloss Richmond.
Das rekonstruierte Residenzschloss lässt schließlich den letzten Aufstieg und das Ende des Herzogtums erleben. Das Schlossmuseum, populärer Teil der überwiegenden kulturellen Nutzung des Gebäudes, zeigt die tragischen Geschichten: die Herabstufung des Herzogtums zu einem Teil des napoleonischen Königreiches Westfalen in den Jahren 1807 bis 1813 sowie seine Befreiung durch Augustas Sohn Friedrich Wilhelm, der in der Bevölkerung besser als der „Schwarze Herzog“ bekannt ist und der 1815 in Vorgefechten der Entscheidungsschlacht bei Waterloo gegen Napoleon fiel. Das Museum veranschaulicht auch, dass der frühe Tod der herzoglichen Eltern und die ersten Jahre am liberalen Londoner Hof die heranwachsenden Herzogssöhne Carl und Wilhelm sehr belastet hatten. Nur sieben Jahre nach dem Amtsantritt in Braunschweig überwarf sich Carl II. völlig mit den Ständen und musste die Stadt am 7. September 1830 verlassen. Wilhelm, sein vernünftiger Bruder, führte das Herzogsamt weiter, wurde Bauherr des neuen Residenzschlosses (das 1960 kriegszerstört abgerissen wurde), befriedete das Land, pflegte auch ein gutes Verhältnis zum hannoverschen König und rettete das Herzogtum über das Kriegsjahr 1866 hinaus, das Hannover die Existenz gekostet hatte.
Wilhelm schaffte Wohlstand und Modernität – zum Beispiel blühten die Industrie und das Eisenbahnwesen –, und er umgab wie in den großen Kaiserstädten Wien und Paris das zentrale Schloss im Osten der neuen Stadtquartiere mit einem Fächer an Bauten für Museen, Bildung und Verkehr: Technische Universität, Staatstheater, Herzog Anton Ulrich-Museum und ehemaliger Hauptbahnhof zeigen deutlich von der Plattform mit der größten Quadriga Europas ihren Bezug auf das Schloss.

Weiteres Welfenerbe, das noch heute in Braunschweig zu besichtigen ist

Klosterkirche Riddagshausen© Braunschweig Stadtmarketing GmbH/Gerald Grote

Zu den Förderungen Heinrichs gehören auch der Ausbau der Altstadt mit der Pfarrkirche St. Martini und die Gründung der eigenständigen Stadtteile Hagen und Neustadt mit den Kirchen St. Katharinen und St. Andreas. Diese sind noch heute markante Kirchen Braunschweigs. Die Stadt verfügt noch über eine Vielzahl an mittelalterlichen Kirchen. Heinrichs Sohn Otto IV. begüterte unter anderem das östlich der Stadt gelegene Zisterzienserkloster Riddagshausen, noch heute ein beliebtes Ausflugsziel vieler Braunschweiger und Stadtbesucher.
Am Altstadtrathaus weisen Herrscherfiguren auf das Wirken der Welfen in Braunschweig hin. Die fast lebensgroßen Statuen zeigen unter anderem Heinrich den Löwen, seine Frau Mathilde und Kaiser Otto IV.

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Bildnachweise

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  • Braunschweig Stadtmarketing GmbH/okerland-archiv
  • Braunschweig Stadtmarketing GmbH/Daniel Möller
  • Braunschweig Stadtmarketing GmbH/Steffen und Bach GmbH