Gedenkstätte KZ-Außenlager Braunschweig Schillstraße

© 2019 Stadt Braunschweig/ Daniela Nielsen

Am 7. Mai 2000 wurde die "Gedenkstätte KZ-Außenlager Braunschweig Schillstraße" der Öffentlichkeit übergeben. Neben einem Denkmal in der Form eines Podestes umfasst das von der Hamburger Künstlerin Sigrid Sigurdsson geschaffene Konzept der Gedenkstätte ein "Offenes Archiv", in dem Braunschweiger Einzelpersonen sowie örtliche Initiativen, Verbände und Institutionen ihre Erinnerungen und Gedanken hinterlegen können. Über 100 Kassetten wurden seit 1997 für das Archiv zusammengetragen, das im ehemaligen Invalidenhaus an der Schillstraße aufbewahrt wird. Teile des Inhalts der Kassetten werden nach und nach auf Tafeln auf dem Außengelände der Gedenkstätte installiert.

Das Spannungsfeld von Vergangenem und Gegenwärtigem an der Schillstraße ist Bestandteil der Gedenkstättenkonzeption. Durch die angrenzende spätere Bebauung des ehemaligen Lagergeländes schimmert der in blauen Leuchtbuchstaben angebrachte Schriftzug "Die Zukunft hat eine lange Vergangenheit." Spuren einer vergangenen Zeit können so auch inmitten des Alltags entdeckt werden.

Dieser Ort des Erinnerns ist zum zentralen Knotenpunkt eines vernetzen Gedächtnisses der Stadt Braunschweig geworden. Hierfür hat die Stadt Braunschweig gemeinsam mit engagierten Einzelpersonen und Initiativen ein "Konzept zur Planung, Errichtung und Gestaltung städtischer Erinnerungsstätten zur nationalsozialistischen Gewaltherrschaft" (kurz: Gedenkstättenkonzept) erarbeitet.

Seit dem 1. Juli 2019 führt der Arbeitskreis "Andere Geschichte e.V." die Gedenkstätte nunmehr in eigener Verantwortung. Zu seinen Aufgaben gehört die Fortführung des Archivs, die Beratung der Benutzerinnen und Benutzer, Führungen und pädagogische Angebote sowie die Pflege des Kontaktes zu Überlebenden des KZ-Außenlagers.

© 2015 Stadt Braunschweig/ Foto: Daniela Nielsen

Das KZ- Außenlager an der Schillstraße

Dem Hamburger Konzentrationslager Neuengamme waren fast 90 Außenlager angegliedert, die seit 1942 im nordwestdeutschen Raum errichtet wurden. Sie stellten für kriegswichtige Unternehmen Arbeitskräfte zur Verfügung, indem die SS den Firmen die Arbeitsleistung der Häftlinge verkaufte. Harte Arbeit in den Werken und menschenverachtende Lebensbedingungen in den Lagern bedeuteten für viele KZ-Häftlinge die psychische und physische Vernichtung. 

Im August 1944 begann die SS mit der Errichtung des KZ-Außenlagers an der Schillstraße in Braunschweig. Vier Steinbaracken wurden als Unterkünfte für die Häftlinge gebaut, ein weiteres Gebäude auf dem gegenüberliegenden Grundstück diente den SS-Wachmannschaften als Wohnbaracke. Ende Oktober 1944 war der Bau des Lagers Schillstraße abgeschlossen. Der größte Teil der Häftlinge war in Auschwitz für den Arbeitseinsatz ausgemustert worden und traf in drei Transporten ab September 1944 in Braunschweig ein. Ein Teil der Häftlinge kam in ein Unterkommando in Vechelde. Ende 1944 lebten im Lager an der Schillstraße circa 500 Männer, in Vechelde circa 400 Männer. Die Mehrzahl der Häftlinge arbeitete in der Automobilproduktion der Büssing NAG, andere wurden bei Räumungsarbeiten eingesetzt. Die meisten Häftlinge waren Juden polnischer Herkunft, die aus dem Ghetto Lodz kamen. Unter den anderen Nationalitäten befand sich eine Gruppe französischer Gefangener. Unterbringung, Verpflegung und gesundheitliche Versorgung waren bei einer Arbeit in 12-Stunden-Schichten so unzureichend, dass mehrere hundert Häftlinge an den Folgen der Entkräftung starben. Misshandlungen forderten weitere Todesopfer. Ende März 1945 wurde das Außenlager aufgelöst und die Häftlinge wurden in sogenannten Evakuierungstransporten in andere Lager verschleppt. Amerikanische Truppen befreiten die Überlebenden am 2. Mai 1945 in Wöbbelin bei Ludwigslust.

Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den historischen Hintergründen des Außenlagers an der Schillstraße begann erst in den neunziger Jahren. Insbesondere Dr. Karl Liedke und Elke Zacharias trugen mit ihren Forschungen dazu bei, dass nicht nur die Lagergeschichte, sondern auch ein großer Teil der Namen der ehemaligen Häftlinge mittlerweile bekannt ist.

Das Schill-Denkmal

Der Ort des ehemaligen KZ-Außenlagers ist - spannungsreich - geformt durch unterschiedliche Geschichtsräume:

Das ehemalige Lagergelände grenzt an die Anlage des 1837 nach Plänen des Baukondukteurs Heinrich Friedrich Uhlmann errichteten Schill-Denkmals, das an die "Befreiungskriege" gegen die Napoleonische Herrschaft erinnert. Im Zuge der deutschen Nationalbewegung wollten die Denkmalstifter an den im Kampf gefallenen preußischen Major Ferdinand von Schill und vierzehn Soldaten seines Freikorps erinnern, die in Braunschweig hingerichtet worden waren. Das 1840 hinzugefügte Invalidenhaus enthielt eine kleine Gedenkkapelle mit Erinnerungsstücken.

1955 wurde das Schill-Denkmal auf Initiative der Braunschweiger Regimentskameradschaften durch die Stadt umgewidmet. Neu angebrachte Bronzetafeln gedachten jetzt der im Zweiten Weltkrieg gefallenen und vermissten Soldaten der braunschweigischen Truppenteile. Am Volkstrauertag legten alljährlich der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, Vertreter der Stadt und der Bundeswehr sowie verschiedener Verbände und Vereine Kränze am Schill-Denkmal nieder. In das Totengedenken wurden alle "Opfer von Gewalt und Krieg" einbezogen, eine differenziertere Auseinandersetzung mit den Hintergründen und Ursachen des Zweiten Weltkrieges und mit der besonderen Geschichte des Geländes an der Schillstraße unterblieb jedoch.

Die ehemaligen Lagerbaracken wurden bereits am 1. Oktober 1945 von der Stadt verpachtet und dienten teilweise als Mietwohnungen für bedürftige Familien. Im Zuge des Bahnhofsneubaues 1959/60 wurden die Baracken abgerissen. Nichts erinnerte seither mehr an das hier Geschehene. Demonstrationen am Schill-Denkmal anlässlich der Volkstrauertagsveranstaltungen 1994 und 1995 machten die Defizite dieser Form des Gedenkens deutlich. Neuere Forschungen dokumentierten die Geschichte des KZ-Außenlagers. Die Stadt beschloss daraufhin die Gestaltung eines Erinnerungsortes für das ehemalige KZ-Außenlager. Ein Wettbewerb wurde ausgelobt, der zeitgenössische Künstler aufforderte, die Möglichkeiten der Kunst für die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit zu nutzen.

© Stadt Braunschweig/ Michaela Heyse

Die Gedenkstätte

Als Ergebnis dieses Wettbewerbs gestaltete die Hamburger Künstlerin Sigrid Sigurdsson 1997 eine Stätte der Erinnerung und des Gedenkens an die Opfer des KZ-Außenlagers. Im Rahmen des Projekts "Braunschweig - eine Stadt in Deutschland erinnert sich" wurden Institutionen und Einzelpersonen von Sigrid Sigurdsson gebeten, Gedanken und Erinnerungen, Texte und Dokumente zum Nationalsozialismus in einer Kassette zu sammeln. Diese Kassetten bildeten die Grundlage eines "Offenen Archivs".

An einer Mauer, die an das frühere Lagergelände grenzt, sind mehr als 200 Metalltafeln angebracht, die nach und nach mit Texten aus der Sammlung des Archivs bedruckt werden und Auskunft geben über den Erinnerungsprozess in der Stadt. Der Historiker Dr. Karl Liedke ergänzte diese Tafeln durch Texte zur Lagergeschichte und zum Schicksal der Häftlinge. Ein mehrstufiges Podest gibt den Blick auf das ehemalige Gelände des Lagers frei. Dort wird die Rabbinische Weisheit "Die Zukunft hat eine lange Vergangenheit" sichtbar.

Das offene Archiv

Nach Umbau und Sanierung ist das frühere Invalidenhaus zum Ort des "Offenen Archivs" geworden. Die Kassetten dieses wachsenden Archivs von Erinnerungen sind für die Öffentlichkeit in einem Leseraum einzusehen.

Literatur

Derzeit erhältlich sind folgende Titel:

Bernhild Vögel, "Denkstätte Schillstraße. Materialien für Schule und Bildungsarbeit", hrsg. vom Jugendring Braunschweig, Braunschweig 1998.

Karl Liedke, "Das KZ-Außenlager Schillstraße in Braunschweig 1944-1945", Braunschweig 2006.

Öffnungszeiten und Kontakt

Dienstag und Mittwoch: 14:00 - 17:00 Uhr

Donnerstag: 16:00 - 19:00 Uhr

jeden ersten Samstag im Monat: 14:00 - 17:00 Uhr

Weitere Nutzungsmöglichkeiten nach telefonischer Absprache:

Tel. 05 31/2 70 25 65

Fax 05 31/2 70 25 64

Am "Offenen Archiv" beteiligte Institutionen und Einzelpersonen

27.01.2021 Der Internationale Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust

Fotos der Kranzniederlegung am 27.01.2021

Online-Veranstaltung zum Gedenken an die Opfer des Holocaust in Kiryat Tivon am 27. Januar 2021

International Holocaust Remembrance Day 2021 ZIKARON BA’SALON

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Bildnachweise

  • 2019 Stadt Braunschweig/ Daniela Nielsen
  • 2015 Stadt Braunschweig/ Foto: Daniela Nielsen
  • Stadt Braunschweig/ Michaela Heyse
  • Stadt Braunschweig / Daniela Nielsen ; Kranzniederlegung durch Frau Renate Wagner-Redding (v.), Herr Oberbürgermeister Ulrich Markurth (h.)
  • Stadt Braunschweig / Daniela Nielsen ; Gedenken bei der Kranzniederlegung (von vorne nach hinten) Frau Renate Wagner-Redding , Herr Oberbürgermeister Ulrich Markurth , Frau Martina Staats
  • Stadt BraunschwStadt Braunschweig / Daniela Nielsen ; Blick auf die niedergelegten Kränzeeig / Daniela Nielsen
  • Stadt Braunschweig / Daniela NielsStadt Braunschweig / Daniela Nielsen ; Unterhaltung zwischen Frau Renate Wagner-Redding (l.), Herr Oberbürgermeister Ulrich Markurth (m.), Frau Martina Staats (r.)en