Staatstheater Kleines Haus: Aquarium

18:00 - 19:00 Uhr

Bettina Hartz: Rot ist der höchste Ernst

Moderation: Kathrin Hilgruber

Bettina Hartz© Thomas Ullmann

Milena ist Schriftstellerin, und in ihrer Arbeit klebt sie „nicht so an der Wirklichkeit wie andere, die schreiben“. Und auch in ihrem eigenen Leben erfindet sie so manches, beispielsweise ihren Gefährten Hans, der immer realere Züge für sie annimmt. Er ist ihr Gesprächspartner und Geliebter, ihre andere, verdrängte Seite, dunkel, manchmal bedrohlich, aber zugleich emotionale Stütze. Eine Stütze, die Milena braucht, um die im Balkankrieg erlittenen Traumata Jahre später in Berlin zu verarbeiten. „Rot ist der höchste Ernst“ erzählt viel Wahres und viel Ausgedachtes, ist sowohl eine Exil-Geschichte als auch ein Buch über das Schreiben, das nach den Möglichkeiten des Erzählens und der Wahrheit der Literatur fragt.

Bettina Hartz, 1974 in Berlin geboren, ist Schriftstellerin, Fotografin und arbeitet als freie Kulturjournalistin (u. a. für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, Die Zeit, Der Freitag, taz, NZZ, Literaturen). Sie studierte Germanistik sowie Musik- und Theaterwissenschaften in Berlin. Ihr vielseitiges Werk, für das sie zahlreiche Preise und Stipendien erhielt, umfasst Drehbücher, Theaterstücke, Prosa und Lyrik. 

2006 erschien „Altfundland – Ansichten von Italien“, 2007 die Erzählung „Nicht viel“. 2012 veröffentlichte sie mit „Auf dem Rad. Eine Frage der Haltung“ eine Poetik und Kulturgeschichte des Radfahrens. „Rot ist der höchste Ernst“ ist ihr Debütroman.

19:30 - 20:30 Uhr

Andreas Schäfer: Die Schuhe meines Vaters

Moderation: Wiebke Porombka

Andreas Schäfer© Mirella Weingarten

Im Sommer 2018 kommt der Vater von Andreas Schäfer zu Besuch nach Berlin. Kurz zuvor hat er erfahren, dass ein vor langer Zeit überwundener Krebs zurückgekehrt ist, doch Beschwerden hat er keine. Er geht in die Oper, unternimmt einen Ausflug ans Meer, sitzt auf dem Sofa des Sohnes und sagt verwundert: "Dass da was ist!" Aber was? Was ist da im Kopf des Vaters? Er fährt nach Frankfurt zurück, wo er seit der Trennung von der griechischen Mutter vor Jahrzehnten allein lebt. Auch zur Biopsie geht er allein, als wollte er sein Einzelkämpferleben erst im letztmöglichen Moment aufgeben. Am Tag der Untersuchung meldet sich der Oberarzt der Neurochirurgie und teilt dem Sohn mit, dass der Vater eine Hirnblutung erlitten habe: "Ihr Vater wird sterben", sagt er. "Er liegt im künstlichen Koma. Sie müssen entscheiden, wann wir die Maschinen abstellen." Wie damit umgehen, wenn einem das Leben des eigenen Vaters in die Hände gelegt wird? Wie sich verabschieden, wenn man den Zeitpunkt selbst bestimmen soll? 'Die Schuhe meines Vaters' ist ein ebenso erschütterndes wie zu Herzen gehendes Buch über Väter und Söhne und die unerwarteten Wege der Trauer. Aufrichtig, poetisch und einfühlsam erzählt Andreas Schäfer vom eigenen Schockzustand – vor allem aber nähert er sich dem Vater an, dem leidenschaftlich gern Reisenden, dem Kriegstraumatisierten, glücksgewillt und verloren zugleich, und ihrem besonderen, nicht immer einfachen Verhältnis. 

Andreas Schäfer wurde 1969 in Hamburg geboren, wuchs bei Frankfurt/Main auf und lebt heute mit seiner Familie in Berlin. Er schreibt Romane, Essays, Libretti und Radiofeatures. Sein Debüt 'Auf dem Weg nach Messara' wurde u.a. mit dem Bremer Literaturförderpreis ausgezeichnet. Es folgten die Romane 'Wir vier' (DuMont 2010), der für den Deutschen Buchpreis nominiert war und mit dem Anna-Seghers-Preis ausgezeichnet wurde, 'Gesichter' (DuMont 2013) und zuletzt der Spiegel-Bestseller 'Das Gartenzimmer' (2022).

21:00 - 22:00 Uhr

Lin Hierse: Wovon wir träumen

Moderation: Renatus Deckert

Lin Hierse© Amelie Kahn-Ackermann

Eine junge Frau steht auf einem Berg in Shaoxing. Sie ist gekommen, um ihre Großmutter zu beerdigen. Die Frage, wo sie selbst hingehört, schiebt sie beiseite. Vielleicht ist sie überall ein bisschen zu Hause oder nirgendwo ganz. Ihre Mutter hat China vor Jahren verlassen, weil sie in Deutschland ein anderes Leben wollte. Die Träume der jungen Frau ähneln denen ihrer Mutter. Und doch träumt sie anders, weil die Orte verschwimmen und sie die Geister der Familie nicht loswird. 

Subtil, mutig und mit feinem Gefühl für die Sprache erzählt Lin Hierse in „Wovon wir träumen“ von einer Beziehung zwischen Mutter und Tochter und den Fragen nach Identität, Nähe und Abgrenzung. Auf den Spuren der deutsch-chinesischen Geschichte findet sie eine Form, Migration nicht als Trauma zu begreifen, sondern als Traum. 

Lin Hierse, geboren 1990 in Braunschweig, hat Asienwissenschaften und Humangeographie studiert. Sie lebt in Berlin und ist seit 2019 Redakteurin der taz. Dort erscheint auch ihre Kolumne poetical correctness. „Wovon wir träumen“ ist ihr erster Roman.

Erläuterungen und Hinweise

Bildnachweise

  • Thomas Ullmann
  • Mirella Weingarten
  • Amelie Kahn-Ackermann