Oswald Berkhan
geb. 19.03.1834 • gest. 16.02.1917
Am Fallersleber Tore 9 befanden sich drei Jahrzehnte bis Anfang des 20. Jahrhunderts der Wohnsitz und die Hausarztpraxis des Mediziners Oswald Berkhan.
Berkhan wuchs als Sohn eines Lehrers in Blankenburg im Harz auf. Nach dem Abitur begann er 1853 sein Studium am Collegium Carolinum in Braunschweig. Nach einjährigem Aufenthalt studierte er in den Folgejahren Medizin in Göttingen, Würzburg, Prag und Wien. Beeinflusst von der Lehre des Mediziners Rudolf Virchow promovierte er 1856 über die Behandlung von Menschen mit geistiger Beeinträchtigung.
Nach seiner Zeit als Assistenzarzt kehrte Berkhan 1860 nach Braunschweig zurück und arbeitete im sogenannten Alexiushaus, einer psychiatrischen Einrichtung in der Münzstraße. Er gründete 1868 gemeinsam mit der braunschweigischen Bankierstochter und Wohltäterin Luise Löbbecke und dem Pastor Gustav Stutzer eine psychatrische Anstalt in Erkerode, um zunächst Kindern, später auch Erwachsenen, mit einer geistigen Beeinträchtigung ein Zuhause und eine gezielte Förderung zu bieten.
Im Jahr 1879 setzte sich Berkhan zusammen mit dem Lehrer Heinrich Kielhorn bei Bürgermeister Wilhelm Pockels für eine Sonderschulklasse für Kinder mit geistiger Beeinträchtigung ein. Diese Klasse übernahm Kielhorn 1881. Nach diesem Vorbild entstand die erste Sonderschule in Braunschweig. Zudem beschäftigte sich Berkhan mit Lese- und Rechtschreibstörungen bei Kindern. Im Jahr 1883 etablierte er Sprachheilkurse an öffentlichen Schulen im Herzogtum Braunschweig – die ersten ihrer Art in Deutschland.
Berkhan ging erfolgreich gegen den Ausschluss blinder, taubstummer und psychisch erkrankter Kinder vom Schulunterricht vor. Ein Gesetz zur allgemeinen Erziehungspflicht ab dem siebten Lebensjahr trat in Braunschweig erstmalig 1894 in Kraft. Darüber hinaus rief Berkhan 1883 zur Gründung einer Klinik für Epilepsie bei Kindern auf, die finanziert von Luise Löbbecke als „Luisenstift“ 1908 eröffnete. In der Klinik war er als Direktor und beratender Arzt tätig.
Berkhan bekam 1908 den Ehrentitel als Geheimer Sanitätsrat des Herzogtums Braunschweig verliehen. Zwei Jahre später wurde er zum Ehrenmitglied des ärztlichen Vereins zu Braunschweig ernannt. Neben seinen medizinischen Forschungsinteressen bereiste er gerne den Mittelmeerraum und veröffentlichte naturwissenschaftliche Artikel in hiesigen Zeitschriften. Er starb 1917 im Alter von 82 Jahren in seinem Wohnsitz am Wendentorwall. Nach ihm ist die Oswald-Berkhan-Schule in Braunschweig benannt.