OB: "Unsere Demokratie, sie ist stärker als der Hass, sie ist aktiv und sie ist wachsam"

Braunschweig, 20. Februar 2024 - Referat Kommunikation

OB Dr. Thorsten Kornblum© Stadt Braunschweig / Daniela Nielsen

Zu Beginn der Ratssitzung am Dienstag, 20. Februar, hat Oberbürgermeister Dr. Thorsten Kornblum eine Ansprache für zivilgesellschaftliches Engagement gehalten:

Oberbürgermeister Dr. Thorsten Kornblum:

"Sehr geehrter Herr Ratsvorsitzender,liebe Kolleginnen und Kollegen, vielleicht geht es Ihnen auch so: Gefühlt ist in diesem Jahr schon so viel passiert, dass es schwer fällt zu glauben, dass dies die erste Ratssitzung im Jahr 2024 ist.

Die Hochwasserlage über die Weihnachtsfeiertage und zum Jahreswechsel hat viele Menschen in unserer Stadt, aber insbesondere auch in Niedersachsen und darüber hinaus, vor große Herausforderungen gestellt. Deshalb möchte ich auch an dieser Stelle noch einmal die Chance nutzen, um mich bei den rund 800 haupt- und ehrenamtlichen Ein-satzkräften der verschiedenen Institutionen und Organisationen zu bedanken. Mit großem Engagement sind sie es, die nicht nur in Notlagen, sondern tagtäglich für den Schutz unserer Stadt arbeiten. Dafür gebührt ihnen der Respekt und Dank der gesamten Stadt.

In einer ersten Bilanz hat sich gezeigt: Die umgesetzten Schutzmaßnahmen aus unserem im Zuge des Sommerhochwassers 2017 erstellten Hochwasserschutzkonzepts haben ihre Wirkung entfaltet und dazu beigetragen, dass Schadenspotenziale erkennbar eingedämmt werden konnten. Gleichzeitig muss uns allen klar sein: Es sind weitere Maßnahmen erforderlich, um den Schutz der Bürgerinnen und Bürger auch bei zukünftigen und stärkeren Hochwasserereignissen sicherzustellen. Daher werden wir weiterhin in großem Umfang in den Hochwasserschutz investieren und die technische Ausstattung der Feuerwehr weiter optimieren.

Ich freue mich, dass wir in der heutigen Ratssitzung darüber beraten, wie wir einen wichtigen Teil der identifizierten Optimierungsmaßnahmen zum Hochwasserschutz bereits im aktuellen Doppelhaushalt abbilden können.
Insgesamt unterstreichen die Ereignisse zum Ende des letzten Jahres einmal mehr: Wenn es schwierig wird, dann hält Braunschweig zusammen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
es sind keine einfachen Zeiten. Mir persönlich ist bewusst: Das betrifft diejenigen, die für unsere Stadt ehrenamtlich tätig sind und natürlich auch Ihre Arbeit als Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker. Gemeinsam sehen wir uns konfrontiert mit den multiplen Krisen, die global erscheinen und sich doch auf die tagtägliche Arbeit hier vor Ort in der Kommune auswirken – egal ob bei der Finanzierung des Klinikums und des ÖPNV oder in Bezug auf die allgemeinen Auswirkungen des Fachkräftemangels.

Doch eines bewegt uns alle, bewegt dieses Land derzeit noch mehr: Die Berichte zum Geheimtreffen Rechtsextremer in Potsdam, bei dem es um die millionenfache Abschiebung von Menschen mit Migrationshintergrund und auch – wie es in dieser menschenverachtenden Sprache heißt – “nicht assimilierter“ deutscher Staatsbürger gegangen sein soll, sind schockierend und sorgen bei vielen Mitmenschen für eine Atmosphäre der Verunsicherung und der Angst.
Allein, dass in einem Land mit einer Geschichte wie der unseren darüber diskutiert wird, Menschen aufgrund ihrer Herkunft und der ihrer Familien zu vertreiben, macht deutlich: Das vermeintlich Unsagbare droht tatsächlich wieder salonfähig zu werden.

Das schadet nicht nur dem internationalen Ansehen der Bundesrepublik, sondern hat darüber hinaus auch negative Auswirkungen auf die Anwerbung potenzieller Arbeits- und Fachkräfte aus dem Ausland. Umso beeindruckender sind die zahlreichen Demonstrationen im ganzen Land, in unserer Region und in unserer Stadt für den Zusammenhalt und gegen die Spaltung. Es ist die Zivilgesellschaft, die aufsteht und unmissverständlich klarstellt: Bis hierhin und nicht weiter. Wir lassen nicht zu, dass Familien, Nachbarinnen und Nachbarn, Kolleginnen und Kollegen und sogar Kinder Angst davor haben, von hier vertrieben zu werden. Auf dieses Zeichen kann auch unsere Stadt mit ihrer hochengagierten Zivilgesellschaft stolz sein.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
dieses Aufstehen der Demokratinnen und Demokraten, die flächendeckend gegen Rechtsextremismus auf die Straße gehen, macht mir Hoffnung, denn es stellt unter Beweis: Unsere Demokratie, sie ist stärker als der Hass, sie ist aktiv und sie ist wachsam. Es ist unsere gemeinsame Pflicht, Menschenwürde, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit – die Grundpfeiler unserer Verfassung – immer wieder neu zu verteidigen.

Der Staatsrechtler Ernst-Wolfgang Böckenförde hat zurecht gesagt: „Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann.“ Zu diesen Voraussetzungen gehört ohne Zweifel die Kraft des Kompromisses, der Mut und Wille zum Konsens zum Wohle der Allgemeinheit.

Bei den vielen hitzigen und zurzeit auch manchmal überhitzten Debatten in unserem Land hat die kommunale Ebene an dieser Stelle aus meiner Sicht sogar die Chance, als Vorbild für so manche Debatte auch auf staatlicher Ebene: Denn wer, wenn nicht die Kommunalpolitik, steht so sehr für den gelebten pragmatischen Kompromiss, für die Orientierung an dem, was ganz konkret für die Menschen vor Ort in den Städten, Landkreisen und Gemeinden umzusetzen ist.

Lassen Sie es mich deutlich sagen: Ja, wir brauchen die harte Diskussion in der Sache, das Ringen um das beste Argument, die beste Lösung – auch in der Migrations- und Asylpolitik. Das ist Teil unserer Demokratie. Was wir aber nicht akzeptieren werden ist, dass der Kern unserer Verfassung und die Basis unseres Zusammenlebens angegriffen werden: die Würde des Menschen.
Hass, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist keine Meinung. Unsere Stadtgesellschaft, sie lebt von der Vielfalt ihrer Menschen und explizit auch von der Vielfalt an Lebensentwürfen. Ressentiments und Hetze haben keinen Platz in unserer Mitte!

Unser Bundespräsident hat zutreffend formuliert: „Wir brauchen die Demokratie – aber ich glaube: derzeit braucht die Demokratie vor allem uns.“
Und deshalb bitte ich Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, und auch die Braunschweigerinnen und Braunschweiger: Bleiben Sie engagiert und laut, treten Sie Hass und Hetze entgegen und zeigen Sie weiterhin, wie bunt und vielfältig unsere Stadt ist!"

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  • Stadt Braunschweig / Daniela Nielsen