Erklärung von OB Dr. Hoffmann

Erklärung von Oberbürgermeister Dr. Gert Hoffmann zu TOP 19 der Ratssitzung am 19. Juni 2012:

"Unabhängig von den mehr auf die konkreten Vorschläge des ZGB bezogenen fachlichen und städtebaulichen Bedenken, habe ich persönlich grundsätzliche Bedenken gegen diesen vermehrten und exzessiven Ausbau von Windenergiestandorten in einem der dicht besiedeltsten Länder Europas.

Ob es überhaupt ökonomisch klug war, in einem Land mit dieser Siedlungsstruktur und Topographie in diesem hohen Maße auf Windenergie zu setzen, kann hier zunächst dahin gestellt sein, da ohnehin insoweit nicht mehr revisibel. Allerdings gibt es schon durch diesen jetzigen Windkraftpark und das System der Einspeisevergütungen Probleme im Strommarkt und in bezug auf die verläßliche, kontinuierliche Stromversorgung, die ich hier nicht näher ausführen muß, weil ich sie einfach als bekannt voraussetze. Diese Probleme werden sich noch steigern, wenn man möglicherweise auf eine Verdoppelung der durch Windenergie erzeugten Strommenge setzt (oder noch mehr), was mittlerweile im Hinblick auf die „Übersubvention" durch Einspeisevergütungen sogar Vertreter aus der Windenergie und erneuerbarer Energien selbst einräumen. Wohin kurzfristig überlegte Überförderung führen kann, erleben wir gerade in der Solarindustrie.

Zu diesen energiepolitischen Bedenken kommen aber auch ökokulturelle, wie sie in dem von mir schon übersandten und bekannt gemachten Aufsatz von Herrn zu Guttenberg (der Abkürzung halber verweise ich auf diese Ausführungen) zum Ausdruck kommen. Ich bin zutiefst überzeugt, daß auch der Erhalt unserer mitteleuropäischen Kulturlandschaft und damit auch der Naturlandschaft ein wichtiges Stück Umweltpolitik im Sinne der nachhaltigen Erhaltung eines solchen Landschaftsbildes auch für künftige Generationen ist. Ist heute etwa die norddeutsche Nordseeküste durch Windenergieanlagen schon verschandelt und ihres ursprünglichen Charakters beraubt, so droht dasselbe Schicksal jetzt süddeutschen Mittelgebirgen.

Einen Ausweg mag die Verlagerung von Windenergieanlagen auf die hohe See (offshore) sein. Ich bin nicht genug Fachmann, um abschätzen zu können, welche Nachteile für die Fauna dieser Naturräume dabei entstehen können. Erhebliche Bedenken von Fachleuten sind aber bekannt.

Neben dieser Offshore-Möglichkeit (die aber ohnehin die auch noch nicht annähernd feststehende Anbindung über riesige Stromtrassen erfordert) gäbe es auch die Möglichkeit, schon bestehende Windstandorte durch ein Repowering zu stärken und dabei dann auf neue Windstandorte zu verzichten. Zusammen mit der erforderlichen Bürgerbeteiligung und Fachplanung sollte das vorrangig, vor der Ausweisung neuer Standorte, erwogen werden.

Im Übrigen wäre es meines Erachtens immer noch der leichteste und auch umweltfreundlichste Weg, wenn man mehr auf Energieeinsparprogramme setzen würde. Soweit allerdings die mit anderen nationalen, neuen Aufgaben überforderten Kommunen hier Adressaten solcher Wünsche sein sollten, muß gefordert werden, daß dann die entsprechende Subventionierung durch den Bund erfolgen muß. Würden die riesigen Subventionssummen für erneuerbare Energien auf diesen Sektor umgeschichtet, ließe sich sicher eine nachhaltige, energetische Sanierung überall in den Städten und Gemeinden gut finanzieren.

Schließlich noch zu dem mehr auf meine Person bezogenen „Argument", ich dürfte dieses alles nicht vortragen, weil ich beispielsweise verantwortlich für die große Zerstörung des Waldgebietes im Zusammenhang mit dem Flughafenausbau bin. Dieser „Einwand" zeigt die ganze Oberflächlichkeit der „Diskussion". Einen Flughafen kann man - wenn das schließlich aus übergeordneten Gründen als notwendig angesehen wird - nur an der Stelle ausbauen, wo er ist, da gibt es keine Alternative. Und wenn dann dieser Ausbau einer Startbahn - sei es Braunschweig, sei es Frankfurt - zum Abholzen von Waldbeständen führt, dann ist das im übergeordneten Sinne an dieser Stelle richtig. Wenn man deshalb diesen Eingriff rechtfertigt, muß man doch nicht zwangsläufig alle anderen Eingriffe in die Natur auch rechtfertigen bzw. ist man nicht gewissermaßen moralisch diskreditiert, Umweltsünden an anderer Stelle zu brandmarken. Aber das erschließt sich sicherlich nur bei einem differenzierteren Denken, was nicht jedem gegeben ist."

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