Neujahrsrede 2013 Prof. Dr. Stölzl

Prof. Dr. Christoph StölzlBraunschweiger Neujahrsrede 2013

Tief ist der Brunnen der Vergangenheit, nicht nur, wenn wir in menscheitsgeschichtliche Abgründe blicken, sondern auch, wenn wir uns an den Brunnenrand des 20. Jahrhunderts begeben. Kaleidoskopische Vielfalt schaut uns entgegen, Verwirrbilder in Farben, die krass miteinander streiten. Bilder des Friedens und der Schönheit mit Bildern der Gewalt und des Schreckens. Außerordentliche, ergreifende Bilder und Bilder der Banalität. Bilder der Humanität und der Inhumanität. Die einen festgebannt im historischen Augenblick, die anderen im schnellen Wechsel. Statisch, besonnt vom milden Licht einer Vergangenheit, in der sich alles harmonisch ineinanderfügt, ist fast nichts. Wer sich nicht gut festhält im Sonnenlicht am Brunnenrand, dem kann leicht schwindlig werden.

Keiner, der in den Brunnen blickt, sieht das Gleiche. Die Historiker, berufsmäßige Brunnenbesucher, mögen uns Hinweise geben, worauf wir zu achten haben. Mit ihren Deutungen im Großen und Ganzen sind wir einig, derjenigen etwa, dass die Bilder aus der ersten Hälfte des deutschen 20. Jahrhunderts mehr zur Trauer, die der zweiten mehr zur Freude Anlass geben. Aber wenn es ums Detail geht, um die Frage, aus welchen Partikeln sich etwa die historische Momentaufnahme eines bestimmten Augenblicks zusammensetzt, dann sind die Geschichtsbilder in den Köpfen so verschieden, wie es die Menschen sind. Und darum ist Dissens über den Brunnen der Vergangenheit der Naturzustand.

Soll man sich deswegen am liebsten vom Brunnenrand fern halten? Das gerade nicht. Denn im Vergleichen dessen, was wir da unten zu sehen geglaubt haben, lernen wir unsere Nachbarn kennen, die auch auf dem Rand sitzen. Und erst recht finden wir uns gebannt am Brunnen ein, wenn der Kairos, der Genius des rechten Moments, im Spiele ist.

Braunschweig hat den Kairos beim Schopf gepackt und beschlossen, aus der Wiederkehr der Dreizehn ein großes Brunnengespräch zu machen. Eine runde Zahl stand an, erinnernd an eine europäische Fürstenhochzeit, besser: die letzte europäische Fürstenhochzeit vor dem Ende des monarchischen Zeitalters. Was sollte man daraus machen – eine Feuilletonseite oder eine Veranstaltung der ganzen Stadt? War das Datum nur eine lokalgeschichtliche Glosse wert? Oder ein Anlass, sich die ganze kontroverse Bilderflut jenes historischen Augenblickes ins Gedächtnis zu rufen? 1913: Groß und faszinierend also, oder verfehltes Thema? Und schon war der Disput da. Dass die Stadt, dass ihre Gestalter in Politik und Kultur dem Disput nicht ausgewichen sind, dass man sich den einen und den anderen Schlagabtausch nicht erspart hat, dass man sich, bevor „Braunschweig 1913" feste Gestalt annahm, quer durch die politisch-kulturellen Milieus der Stadt auch einiges an Streit zumutete, dazu möchte ich Ihnen allen gratulieren. Denn Städte leben nicht nur vom reibungslosen Funktionieren ihrer Dienstleistungsfunktionen. Sie leben auch von Konsens und Streit über den Vorrat, die Last oder dem Schatz, ganz wie man will! gemeinsamer bedeutender Bilder.

Und dass „1913" das Zeug zu einer Bedeutsamkeitskarriere haben würde, das erwies sich sehr schnell. Es zeugte vom guten Instinkt der Braunschweiger, dass sie sich ein Thema wählten, das inzwischen die Kulturdiskussion des ganzen Landes beschäftigt. Und worauf die Deutschen insgesamt neugierig sind, das kann für Braunschweig nicht falsch sein. Die Rede ist von dem außerordentlichen, von niemand erwarteten, seit dem Herbst 2012 jede Woche sich steigernden Erfolg eines Buches, das von nichts anderem handelt als eben jenem kaleidoskopischen Bick in den Brunnen der Geschichte von „1913". Jeder weiß, wovon ich rede: von Florian Illies´! 1913 - Der Sommer des Jahrhunderts".

Es ist jetzt seit Wochen der deutsche Sachbuch-Bestseller, und wie es so ist an der Börse wie in der Kultur: die „Hausse nährt die Hausse" und ein Ende ist nicht abzusehen. Die kalendarische Wiederkehr, die pure Astronomie also, erweist sich wieder einmal als magischer Verzauberungstrick. Auch wenn die Menschen in ihrer Mehrzahl nicht mehr an pathetische Begriffe von Geschichte glauben, so danken sie doch denen, die ihnen die Tür zu einer Vergangenheit öffnen, die wie eine Gegenwart aussieht. „1913" wird die Gemüter noch lang beschäftigen, nicht aus Gründen einer neuerwachten Nostalgie der Deutschen zur „guten alten Zeit". Sondern weil „1913" eine zentrale geschichtsphilosophische Frage stellt: was können wir, die Zeitgenossen, ahnen von dem, was kommen wird? Was können wir ahnen von dem, was andere Zeitgenossen erleben, was sie denken, was sie vorbereiten von dem, was demnächst geschichtliches Ereignis werden wird?

Florian Illies hat sich bewusst dagegen entschieden, apokalyptisch zu erzählen, so wie es die meisten Historiker getan haben, die bei der Station 1913 immer atemlos werden, weil sie endlich zum August 1914 kommen wollen: Im Banne eines „Vorkriegszeit-Modells", als hätten die Menschen 1913 gewusst, dass sie in einer Vorkriegszeit leben, an deren Ende ein abrupter Epochenbruch geschehen würde. Auch unsere Welfen-Hohenzollern-Hochzeit kommt vor in Florian Illies Buch, als triumphale Selbstverwirklichung der monarchischen Regierungen, die auch mit solchen bündnisstiftenden Allianzen glaubten, die zentrifugalen Kräfte ihrer Zeit im Griff behalten zu können. Wie sie es taten, in einer Mischung aus feudalem Kostümfest und ultramodernem Medienereignis, erweist das Jahr 1913 als Moment, wo sich alte und neue Zeit in „finaler Verdichtung"(CICERO) begegneten. Als am 24. Mai 1913 in Berlin, der Hauptstadt der avanciertesten Industrienation Europas, die Gardekürassiere mit ihren Paradelanzen unter den Linden trabten, da wurde auch der erste deutsche Farbfilm gedreht. Aber 1913 fanden sich nicht nur Prinz und Prinzessin unter den wohlwollenden Augen des russischen, englischen Monarchen und deutschen Verwandtschaft , sondern man feierte auch das 25. Jubiläum der Thronbesteigung Wilhelms II, das 65te Kaiser Franz Josefs, das 300jährige der Romanows in Russland – das 1913 übrigens auf dem bisherigen Höhepunkt seiner Wirtschaftskraft stand.

Und diese Hochzeit bildete paradigmatisch den Zustand der Standesgesellschaft in Europa ab, in der immer noch die Biographie praktisch jedes Menschen durch die Zugehörigkeit zum fein gegliederten Oben oder Unten programmiert war.

1913, ein paar Schlaglichter: Das Deutsche Reich rüstete auf und weihte das martialische Völkerschlacht-Denkmals in Leipzig ein. In den militärischen Fachzeitschriften debattierte man über „den künftigen Krieg", in der Balkankrise 1912 hatte man schon am Rande des Konfliktes gestanden, ein Jahr vorher hatte August Bebel im Reichstag vor dem „großen Generalmarsch" gewarnt, in dem „16 bis 18 Millionen Männer, ausgerüstet mit den besten Mordwerkzeugen, gegeneinander als Feinde ins Feld rücken" würden. 1913 dann aber Entwarnung:

Renommierte Fachleute bewiesen in ihren Büchern, dass wegen der Kapital- und Wirtschaftsverflechtung einer globalisierten Welt ein europäischer Krieg schlechthin unmöglich sein würde. In Den Haag wurde der Friedenspalast eröffnet und es gab ein Massentreffen der durchaus unmilitaristischen deutschen Jugendbewegung auf dem Hohen Meissner. Albert Schweizer gründet Lambarene.

Der erste Looping wird geflogen, das Echolot erfunden, die Fließband -Fertigung bei Ford eingeführt, die Lichtreklame hat Premiere in Berlin am Potsdamer Platz. Und um die Ecke, im sogenannten „Herbstsalon", gibt es die erste Gesamtausstellung des Futurismus, der Fauves und des deutschen Expressionismus - also der der internationalen Avantgarde- Kunst. 1913 gab es erbitterte Kämpfe- aber im Theater und Konzertsaal: Bei der Uraufführung von Stravinskis „Sacre de Printemps" gab es in Paris Skandal, und in Wien prügelte man sich um Arnold Schönbergs Musik. Charlie Chaplin begann zu filmen. Louis Armstrong kriegte seine erste Trompete geschenkt. Kurz: die Moderne tritt auf mit gewaltigem Getöse - ob die Zeitgenossen davon etwas gemerkt haben, oder erst wir, weil wir wissen, wie es weitergegangen ist mit Kunst, ist die Frage. Die Jahrhundertgenies kennt die große Öffentlichkeit von 1913 nicht, aber sie selbst haben einander schon erkannt: Kokoschka und Gropius, Rilke und Karl Kraus, Gottfried Benn und Else Lasker-Schüler, Sie treffen sich, lieben und leiden an sich oder ihren Vätern. Franz Kafka will sich verloben, Georg Trakl hat Inzestphantasien, Karl Kraus liebt eine adelige Dame, die auch Rilke interessiert, Spengler brütet über dem "Untergang des Abendlands", Thomas Mann outet sich diskret mit seinem homoerotischen „Tod in Venedig", Seltsame Spiegelungen: Der Physiker Niels Bohr entwickelt sein Atommodell, die literarische Erfindung des Wortes „Atombombe" durch H.G.Wells folgt auf dem Fusse. Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen- die Diagnose dieses Epochenphänomens, die Walter Benjamin wenig später geprägt hat, findet im Ereignissammelsurium des Jahre 1913 Belege ohne Ende. Wir wissen, dass Adolf Hitler und Josef Stalin im Sommer 1913 im Schlosspark von Schönbrunn spazieren gingen, nicht miteinander, versteht sich. Das Faktum sagt historisch gar nichts Entscheidendes, außer, dass die Zukunft, verborgen unseren Augen, immer schon in der Gegenwart versteckt ist. War 1913 unausweichlich gewiss, was die beiden Männer einst der Welt antun würden? Ganz sicher nicht. Seien wir bescheiden und selbstkritisch: Ahnten wir 1988, was 1989 geschehen würde? Ahnten wir 2000, was im der September 2001 losbrechen würde? Hätte jemand gewettet in den Jahrzehnten der atomaren Hochrüstung und des jede Sekunde einsatzfähigen Overkills der Supermächte, dass am Ende alles friedlich ausgehen würde? Gab es eine Garantie, dass der „Nachrüstungsbeschluss- auch er eine Hochrüstung- einen guten Ausgang haben würde: Nicht nur kein neuer Krieg, sondern auch noch Selbstauflösung einer Diktatur unter dem Motto: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben? Zurück zu 1913: Diese in die Moderne katapultierte Belle Époque des Jahre 1913 barg in sich viele Zukünfte, eine friedliche, modernisierende wie jene, die sich dann katastrophisch durchsetzte.

Diese faszinierende Vieldeutigkeit, die mit jedem Kalenderblatt immer erstaunlicher wird, ist der Hintergrund der Erzählungen, die jetzt in Braunschweig eine Gestalt bekommen: als Ausstellungen, als Theaterprogramm, als Symposium, als Konzerte. Kann es irgendeinen Zweifel geben, dass bei solchen Voraussetzungen „Braunschweig 1913" einen tiefen Sinn bekommt? Eine naive, nostalgisch-lokalpatriotische, des größeren Zusammenhangs vergessende Miniaturmalerei wird dabei nicht heraus kommen. Wohl aber eine präzise Archäologie nach dem Motto: Grabe, wo Du stehst. Was „Monarchie", was „Moderne" Deutschlands im Brennglas des kleinen Staates Braunschweig im hier und jetzt jener Tage bedeutete, das werden wir nach dem Erinnerungsjahr besser wissen. Monarchie und Medien, Politik durch Bilder, Riten und Symbole der Macht, aristokratische Eliten und ihre Legitimationsstrategien: an aufregenden, zum vergleichenden Blick auf unsere Gegenwart anregenden Themen ist kein Mangel. Die Rekonstruktion der Hochzeit, des Einzuges in Braunschweig und des Regierungsantritts sind die Projektionsfläche für einen multiperspektivischen Blick auf die deutsch- europäische Gesellschaft im Jahre 1913. Übrigens auch mit der Frage, was der Hohenzollern-Welfen-Konflikt und seine Lösung durch eine Liebesheirat für die Zeitgenossen wirklich bedeutete. Die Fragestellung mag aus heutiger Sicht nur ein Schnörkel in einer Untergangsgeschichte der Monarchie bedeuten. Aber, siehe oben: es ist der Reiz von gelingender historischer Vergegenwärtigung, dass sie uns einen Blick in die Köpfe der Zeitgenossen von damals erlaubt. Versteht sich:1913 heiraten auch bürgerliche und proletarische Paare. Wir dürfen auch in ihre Köpfe, oder zumindest ihnen über die Schulter blicken.

Was kommt bei alledem heraus?

Ausstellungen, das hat schon zu Beginn des letzten Jahrhunderts der große Kultursoziologe Werner Sombart festgestellt, seien so etwas wie ein „Omnibus"- jeder dürfe einsteigen wann und wo er wolle und auch frei wählen, was er auf der Fahrt anschauen wolle. Ich bin gewiss, dass das Erinnerungsjahr 2013 als solch ein Omnibus für neugierige Fahrgäste funktionieren wird. All die Sorgen, die in den freimütigen Bürgerdiskussionen Braunschweigs im vergangenen Jahr geäußert wurden, zeugen von wenig Vertrauen in die Aufgeklärtheit eines modernen Stadtbürgertums. Monarchie beäugen heißt nicht, zum Monarchisten werden. Wer sich neugierig ein höfisches Zeremoniell und die Rolle von Uniformen und Kostüm zur Kenntnis nimmt, wer dann über die Wandlungen des Menschenbildes von damals und jetzt nachdenkt, wird kaum zu blinder Nostalgie nach vordemokratischer Zeit verführt werden. Walter Benjamin hat einmal von guten Ausstellungen gefordert, sie sollten ihre Besucher nicht nur gebildeter, sondern auch „gewitzter" machen - ich hege keinen Zweifel, dass dies in Braunschweig der Fall sein wird. Wenn „Braunschweig 1913" die Teilnehmer dazu anregt, mit nunmehr „gewitztem" Blick auf die Phänomene der Gegenwart zu schauen und zu fragen: was bleibt, was vergeht, was kommt? Durch welche weit offenstehenden, durch welche verborgenen Türen kommt das Zukünftige in die Gegenwart? – dann wäre dies ein großer Erfolg, der alle Anstrengungen lohnt.

Lohnend auch eine Fragestellung, die ja in der Braunschweiger Diskussion um das Erinnerungsjahr mehrfach thematisiert – und als „anachronistische Überflüssigkeit" gebrandmarkt worden ist: Wie viel Braunschweig braucht Braunschweig? Kurz, lohnt es sich, über den historischen Eigensinn eines welfisch –braunschweigischen Staatswesens auch nach dessen Untergang vor vielen Jahrzehnten noch nachzudenken? Dazu sage ich: Nachdenken über das Besondere, historisch Einmalige schadet nie, mag es auch im Machtkampf mit den großen Spielern den Kürzeren gezogen haben. Das Kleine ist in der jahrhundertealten föderalen Philosophie der Deutschen nicht ohnmächtig oder überflüssig, es ist nicht nur gefälliges Futter für zentralistische Arrondierungen. Wir haben gelernt, dass auch die kleinen, machtlosen Territoriums-Gestalten unverzichtbar, ja bisweilen geschichtsmächtig werden konnten. Wann deren Tag oder Stunde kam, das konnte man nicht leicht vorhersagen. Wer ahnte, dass in Dessau das europäische Wunder von Wörlitz erblühen würde? Wer hat vorhergesagt, dass das Katastrophenerzeugnis Sachsen-Weimar die Wiege der deutschen Klassik werden würde? Wer ahnte, dass auf Schulenburgschen Äckern nahe Braunschweig auf Sichtweite der Wolfsburg einmal eine weltweit wirkende deutsche Industriekultur erblühen würde?

Die deutsche Macht-Ideologie des 19. und frühen 20.Jahrhunderts, die „Einheit" vergötzte und „Partikularismus" verketzerte, konnte in der deutschen Begabung fürs Kleinteilige nur einen Irrweg sehen. "Kleinstaaterei" nannte man das verächtlich in der Epoche des Nationalismus, wo man es unter einem „Ruf wie Donnerhall" nicht mehr machen wollte. 1945 war der imperiale Arrondierungsrausch ausgeträumt. Die Deutschen konnten froh sein, dass sie zur Wiederanknüpfung von Sympathien auf ihr reiches Erbe von machtlosen Kulturregionen verweisen konnten. Heute sehen wir die Kulturleistung der kleinen Räume grundsätzlich anders als in der Ära des integralen Nationalismus. Unser Bundesstaat fragt aus guten Gründen nicht nach Quadratkilometern als Eintrittsbillett für föderale Würde. Gäbe es das Land Braunschweig noch, es könnte sicher mit Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Brandenburg mithalten.

Für den Freund Braunschweigs, der immer ein mal wieder in die veröffentlichte Meinung hier hineinhorcht, ist es befremdend, wie viel Lust es manchmal an der Selbstverkleinerung gibt. Dabei halten einem doch im Wettbewerb der Standorte ohnehin die Konkurrenten ständig den kritischen Spiegel vor. Braunschweig kann stolz sein auf die Kraftanstrengung, die es mit dem Erinnerungsjahr 2013 unternimmt. Sie wird etwas wachsen lassen, was in der atomisierenden Gegenwart von Mobilität und globaler Allverfügbarkeit dringend notwendig ist: „Heimat". Heimat ist die Bühne, auf der wir spielen, mit Mitspielern, deren Meinung wir oft - oder immer, auch das gibt es!-nicht teilen, die aber dennoch unsere Nachbarn bleiben. Heimat ist die Landschaft, in der wir jede Ecke in Vergangenheit und Gegenwart auswendig kennen. Heimat ist der Ort, wo uns alles etwas angeht - ob Victoria Luise & Ernst August oder eine Arbeiterfamilie. „Heimat" ist Genauigkeit im Hinschauen, Leidenschaft für das Detail, Achtung für die Würde des Lokalen.

Hätte ich ein Glas Sekt in der Hand, dann würde ich jetzt zum Neuen Jahr mit Ihnen anstoßen und gratulieren dass die Stadt wieder einmal- wie im Ringen um den Kulturhauptstad-Titel oder die „Stadt der Wissenschaft" das Wagnis unternimmt, sich „ auf den Punkt zu bringen."

Robert Musil, auch er eine Gestalt in Florian Illies „1913" hat in seinem Roman „Der Mann ohne Eigenschaften" einmal lakonisch gesagt, der Grundstoff aller Politik sei „ die natürliche Abneigung jedes Menschen gegen jeden Menschen". Gemeinschaftsunternehmen wie das Braunschweiger Jubiläumsjahr geben Gelegenheit, fröhlich das Gegenteil auszuprobieren: den Sympathiezauber und die Lust, etwas gemeinsam machen. Und dazu passt, dass der Anlass zu all dem die Erinnerung an eine Hochzeit ist: Bella gerant alii, tu felix Brunsviga nube!

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