.

Smarte Landwirtschaft

„Was der Bauer nicht kennt…“ und ähnliche Sprichwörter werden der Realität schon lange nicht mehr gerecht: Kaum eine Industrie hat in den vergangenen Jahrzehnten eine ähnlich starke Technisierung erfahren wie die Landwirtschaft. Mit Innovationen wie 5G und autonomem Fahren verbindet man niedersächsische Ackerflächen dennoch eher weniger. Das Projekt 5G Smart Farming soll dies ändern: Drohnen, Roboter und Künstliche Intelligenz ermöglichen eine individuellere und nachhaltigere Bewirtschaftung – mit voller Kontrolle in Echtzeit dank flächendeckender Vernetzung.

„Früher wusste ein Bauer beim Familienbetrieb ganz genau, wo es als erstes trocken wird und wo was gut wächst, kannte jeden Winkel und war überall selbst vor Ort“, erklärt mir Dr. Jan Schattenberg. „Heutzutage mit weniger Arbeitskräften bei zugleich immer größeren Flächen ist es jedoch schwierig, den Überblick zu behalten und flexibel auf unterschiedliche Gegebenheiten zu reagieren.“ Dr. Schattenberg leitet die Gruppe „Automatisierung und Robotersysteme“ am Institut für mobile Maschinen und Nutzfahrzeuge (Öffnet in einem neuen Tab) der TU Braunschweig (Öffnet in einem neuen Tab) und ist stellvertretender Institutsleiter. Als Partner im Projekt 5G Smart Farming gehen sie hier der Frage nach, wie sich mit vernetzten Zukunftstechnologien ein Mehrwert für die Landwirtschaft herstellen lässt.

Dr. Jan Schattenberg forscht an der Landwirtschaft der Zukunft.© Jan Schattenberg / TU Braunschweig

Mit Breitband auf dem Acker

5G Smart Farming ist nur ein Teil des großen Reallabors 5G Smart Country (Öffnet in einem neuen Tab) der Landkreise Wolfenbüttel und Helmstedt. Dieses hat zum Ziel, die Vorteile und den praktischen Nutzen von digitaler Vernetzung im ländlichen Bereich zu demonstrieren. Hierzu unterteilt es sich in die Teilprojekte 5G Smart Farming und 5G Smart Forestry. Letzteres wird vorrangig von der Ostfalia (Öffnet in einem neuen Tab) betrieben und lässt sich augenzwinkernd als „sprechende Bäume“ beschreiben: Sensornetzwerke im Wald analysieren Pflanzen und Böden, melden Parasitenbefall und messen den Nährstoffgehalt, damit die Forstwirtschaft gezielter und nachhaltiger handeln kann. 5G Smart Farming hingegen widmet sich der Landwirtschaft. Auch hier sollen datenbasierte Anwendungen zu einer effizienteren und nachhaltigen Produktionsweise führen, Drohnen und Feldroboter sowohl den Überblick als auch die Arbeit erleichtern.

So könnte es in Zukunft aussehen: Feld-Roboter und Drohnen bewirtschaften ein Rapsfeld.© Anko Ter / Fotolia

Die Vorteile der 5G-Mobilfunktechnik liegen in beiden Projekten gleichermaßen auf der Hand: Sie ist nicht nur deutlich schneller als bisherige Standards und ermöglicht daher eine verzögerungsfreie Kommunikation in Echtzeit. Sondern ihr Ausbau wird flächendeckend stattfinden, also Funklöcher endlich der Vergangenheit angehören. „Dank 5G können auch auf dem Land viele Berechnungen sofort in die Cloud verlagert und auf zentralen Großrechnern durchgeführt werden“, erzählt mir Ingenieur Dr. Schattenberg. „Das ermöglicht kleinere und kostengünstigere Endgeräte, da nicht jedes einzelne mit einem leistungsstarken Computer ausgestattet sein muss.“

Individuell und nachhaltig dank Hightech

In der Praxis könnte das so aussehen: Drohnen fliegen übers Feld und senden Bilder an ein Rechenzentrum, das die Daten blitzschnell auswertet und dank künstlicher Intelligenz Krankheiten oder Schädlingsbefall erkennt. Sekunden später erhält der Landwirt eine Warnung mit allen relevanten Informationen auf sein mobiles Endgerät und kann per Klick Roboter losschicken, die gezielt die nötigen Maßnahmen durchführen. „Dieses präzise Handeln mit hoher Geschwindigkeit kann Erträge retten und ist auch grundsätzlich einfach ökonomischer und ökologischer“, verspricht Eva-Marie Dillschneider vom Julius Kühn-Institut (Öffnet in einem neuen Tab), das gemeinsam mit der TU Braunschweig und dem DLR (Öffnet in einem neuen Tab) einer der Projektpartner von 5G Smart Farming ist.

Eva-Maria Dillschneider erhofft sich durch Smart Farming auch ein besseres Image der Landwirtschaft in der Gesellschaft.© Eva-Marie Dillschneider / JKI

In den oben veranschaulichten Bereich fällt auch die Methode des so genannten Spot Farmings: Die Bedingungen – Bodenart, Feuchtigkeit, Sonneneinstrahlung, Nährstoffgehalt, usw. – auf einem Feld sind nicht überall gleich. Es bietet sich also an, die Gesamtfläche in kleinere homogene Einheiten („Spots“) zu unterteilen. Wird an einem Spot ein Handlungsbedarf erkannt, beispielsweise mehr Wasser, Dünger oder Unkrautbekämpfung, können Roboter und Traktoren automatisch und in Echtzeit reagieren. Auch die Wildrettung kann dank 5G sicherer werden: Drohnen mit Wärmebildkameras erkennen versteckte Rehkitze im hohen Gras und senden ein Ausweichsignal an den herannahenden Mähdrescher oder ein Live-Video auf das Smartphone der Wildretter.

Digitalisierung und Spot Farming ermöglichen eine ganzheitlichere und nachhaltigere Landwirtschaft.© Lucas Kuster / TU Braunschweig

Und das sind nur ein paar der zahlreichen Möglichkeiten aus der innovativen Kombination von Robotik, Cloud Computing und Big Data mit flächendeckender Breitbandverbindung, die das Projekt 5G Smart Farming ausmacht. Dabei sind sich Dillschneider und Schattenberg einig, dass der Erfolg davon abhängt, ob es in der Praxis einen Mehrwert schafft: „Gezielterer Einsatz von Pflanzenschutz- und Düngemitteln senkt die Kosten und erhöht die Nachhaltigkeit. Und durch die vielen nützlichen Daten erhalten Landwirte einen unmittelbareren Bezug zu ihren Nutzflächen“, ist sich Dr. Schattenberg sicher. „Mit diesen Zukunftstechnologien könnte es tatsächlich wieder ein bisschen so werden, wie es früher einmal war: individuell und nachhaltiger.“ Und Agrarbiologin Dillschneider ergänzt: „So erhält die moderne Landwirtschaft vielleicht auch wieder ein besseres Image und mehr Akzeptanz in der Gesellschaft.“

Text: Stephen Dietl, 09.05.2022


Erläuterungen und Hinweise

Bildnachweise

  • © Alexander Pokusay/AdobeStock
  • Jan Schattenberg / TU Braunschweig
  • Anko Ter / Fotolia
  • Eva-Marie Dillschneider / JKI
  • Lucas Kuster / TU Braunschweig