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„Quantencomputer? Yes, we can!“

Das Land Niedersachsen und die VolkswagenStiftung fördern die Forschung an Quantencomputern mit 25 Mio. Euro

Mit einer großen Verheißung startet in Niedersachsen ein Forschungsbündnis, das nichts weniger zum Ziel hat als die Entwicklung eines Quantencomputers, der mit seiner ungeahnten Rechenleistung alle klassischen Computer in den Schatten stellen könnte. Dieses Bündnis, das sich den Namen „Quantum Valley Lower Saxony“ gegeben hat, wird mit insgesamt 25 Mio. Euro vom Land Niedersachsen und der Volkswagen-Stiftung unterstützt. Dies entschied das Kuratorium der Stiftung auf Vorschlag des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur am 4. Dezember 2020. Ziel der Initiative ist es, die Potenziale der Partner für einen Entwicklungssprung hin zu einem Quantencomputer auf Basis der Ionenfallentechnologie zu nutzen und gleichzeitig die exzellenten Forschungsprojekte und Forschungskompetenzen an den niedersächsischen Standorten zu bündeln.

Das Herzstück eines Quantencomputers ist das Qubit, das sich in einem Überlagerungszustand von Null und Eins befinden kann – symbolisiert durch die in der Physik berühmte Schrödinger-Katze.© Adobe Stock / Mopic

Die große Attraktion eines Computers, der mit den Gesetzen und Prinzipien der Quantenmechanik arbeitet, sehen nicht nur Physiker, sondern zahlreiche Anwender auf den unterschiedlichsten Technologiefeldern – von der Kryptografie, der Molekularbiologie und den Materialwissenschaften bis hin etwa zu den Finanzmärkten oder den zahlreichen Einsatzfeldern Künstlicher Intelligenz. Der Hintergrund ist jeweils die enorme Rechenleistung für spezielle Problemstellungen, die in Quantencomputern steckt, weil diese nicht mehr mit klassischen Bits und ihren strengen Null-Eins-Werten arbeiten, sondern vielmehr mit Quantenbits (Qubits), die sich in einem (zugegeben unanschaulichen, aber sehr wirkungsvollen) Überlagerungszustand von Null und Eins befinden können. Wird schon eine relativ kleine Zahl solcher Qubits miteinander verschaltet, dann wächst die Rechenleistung exponentiell.

Die grundsätzliche Herausforderung für jeden, der einen Quantencomputer bauen will, ist es daher, eben diese Qubits zu realisieren. Im „Quantum Valley Lower Saxony“ werden hierzu einzelne, gefangene Ionen die technologische Basis bilden. Mithilfe von elektrischen Feldern werden diese Ionen eingefangen und durch Radiowellen sowie Laserstrahlen kontrolliert. In der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) (Öffnet in einem neuen Tab) ist diese Ionenfallen-Technologie bereits extrem gut erprobte Praxis. In optischen Atomuhren wird diese Technologie erfolgreich eingesetzt. Sie ist zugleich einer der vielversprechendsten Ansätze zur Realisierung eines Quantencomputers mit signifikanter Rechenleistung.

An diesem Projekt des Quantencomputers arbeitet die PTB zusammen mit der Technischen Universität Braunschweig (Öffnet in einem neuen Tab)und der Leibniz Universität Hannover (Öffnet in einem neuen Tab). Die Technologie der Ionenfallen ist dabei das Spezialgebiet der PTB. Von der TU Braunschweig werden die Arbeiten zur chipintegrierten Elektronik beigesteuert. Und die Leibniz Universität Hannover trägt vor allem mit ihren Theoriegruppen zu den eingesetzten Algorithmen und zur Softwareoptimierung bei.


Text: jes/ptb, 4.12.2020

Interview mit einem der Sprecher des Forschungsbündnisses „Quantum Valley Lower Saxony“, Prof. Dr. Piet Schmidt von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt

Das Interview wurde von der PTB-Pressestelle geführt.

Redaktion: Herr Schmidt, wie ist eigentlich Ihre Beziehung zu Katzen?

Piet Schmidt (lacht): Als Kind hatte ich eine schöne Katze. Die ist dann aber ziemlich verwildert, war dann auch tage- und wochenlang nicht bei uns und ist dann so ein bisschen crazy geworden. Generell liebe ich ja Katzen, aber in meiner Familie gibt es Katzenhaarallergiker, deswegen ist es aus mit Katzen – ob nun tot oder lebendig.

Redaktion: Von Katzen zu Qubits ist es nur ein kleiner Sprung. Mit Qubits wird schon seit Langem, in vielen Forschungslaboren und in unterschiedlichen technologischen Variationen gearbeitet. Warum setzt dieses Bündnis auf die Ionenfallen-Technologie?

Piet Schmidt: Die Ionen gehören tatsächlich zu einer der ersten Technologien, die man überhaupt für Quantencomputer untersucht hat. Es kristallisierte sich dann schnell heraus, dass man mit Lasern die Quanteninformation zwischen Ionen gut übertragen und dass man mit Ionen im Prinzip skalierbare Systeme bauen kann. Das hat die gefangenen Ionen jetzt neben supraleitenden Qubits zu den technologischen Frontrunnern gemacht.

Redaktion: Mit supraleitenden Qubits arbeiten aber auch sehr prominente Gruppen, oder?

Piet Schmidt: Ja, da sind vor allem IBM und Google zu nennen. Die haben jetzt, wie man hört, schon über 50 Qubits am Laufen. Bei Ionen hat man aber auch schon gezeigt, wie sich zig Qubits miteinander verschränken lassen. Innerhalb der Ionencommunity gibt es zudem noch unterschiedliche Ansätze, wie man das angehen kann. Die meisten Gruppen manipulieren die Ionen dabei mit Lasern. Nun sind Laser zwar notwendig zum Kühlen und Auslesen der Qubits, aber Laserstrahlung haben wir nicht so gut unter Kontrolle wie Radiofrequenz- oder Mikrowellen-Strahlung. Und eben darin liegt der ganz besondere Ansatz, den wir hier verfolgen. Mein Kollege Christian Ospelkaus hat in seiner Gruppe diesen Mikrowellenansatz perfektioniert. Die Skalierbarkeit zu mehr Qubits könnte mit diesen Mikrowellen deutlich einfacher gelingen als mit dem laserbasierten Ansatz.

Redaktion: Das QVLS-Bündnis geht mit der Botschaft in die Welt, innerhalb von fünf Jahren einen demonstrationsfähigen Quantencomputer zu haben.

Piet Schmidt: Ja. Wir werden einen Computer aus 50 Qubits haben.

Redaktion: Ist das wirklich realistisch?

Piet Schmidt: Ja.

Redaktion: Einfach „Ja“?

Piet Schmidt: Ja. Es ist schließlich nicht so, dass wir erst jetzt neu damit anfangen. Wir sind vielmehr im vollen Lauf und schalten nun noch den Turbo ein. Die einzelnen Bausteine eines Quantencomputers sind bereits demonstriert, und wir müssen das jetzt nur noch auf 50 hochskalieren. Dabei liegt die Betonung auf „nur“, da sich dahinter natürlich noch jede Menge technologischer Optimierung und ingenieursmäßiger Umsetzung der demonstrierten Grundprinzipien verbirgt, die wir vor allem mit den Kollegen von der TU Braunschweig angehen wollen.

Redaktion: Wenn wir uns vorstellen, ein paar Jahre weiter zu sein, also etwa im Jahre 2025. Was soll der erste Quantencomputer berechnen?

Piet Schmidt: Vermutlich wird das eine Simulation eines anderen Quantensystems sein. Das bedeutet, der Quantencomputer berechnet den Grundzustand z. B. eines einfachen Moleküls. Was ich persönlich jedoch als Killerapplikation für unser Projekt sehe, ist das Quantum-Machine-Learning. Da werden dann neuronale Netze auf dem Quantencomputer von unseren Kollegen an der Leibniz Universität Hannover implementiert. Diese Netze werden trainiert, sind dann auch fehlertolerant und können Entscheidungen treffen. Und dies effizienter als in einem normalen Computer.

Redaktion: Dann dürften alle, denen es um Künstliche Intelligenz geht, gespannt auf Ihre Resultate sein?

Piet Schmidt: Ja, diese Community hat bereits vor einigen Jahren den Quantencomputer für sich entdeckt und begonnen, sich für hybride Lösungen aus klassischem und quanten-unterstützen Systemen zu interessieren.

Redaktion: Meine letzte Frage zielt auf das Verhältnis der Forschung am Quantencomputer zur Metrologie, also dem Kerngeschäft der PTB. Wo ist die Metrologie in der ganzen Geschichte?

Piet Schmidt: Die ausführliche Antwort ist, dass das Projekt des Quantencomputers keine inhärent metrologische Aufgabe ist. Trotzdem ist die Metrologie natürlich eng verwandt mit der Quanteninformationsverarbeitung oder dem Quantencomputing. Wer an der Entwicklung von Atomuhren arbeitet, benutzt dabei die gleichen Technologien, die auch beim Quantencomputer eine entscheidende Rolle spielen. So setzen wir Ionenfallen sowohl bei den Uhren als auch bei den Qubits ein. Ähnliche Schnittmengen gibt es auch bei der Supraleitung – auf der einen Seite die supraleitenden Qubits, auf der anderen Seite die quantenelektrischen Normale der Metrologie. Oder nehmen Sie die Quantenradiometrie, die eng verzahnt ist mit dem photonischen Quantencomputing.

Redaktion: Wenn das die ausführliche Antwort war, wie lautet Ihre kurze Antwort?

Piet Schmidt: Wir arbeiten am Quantencomputer, weil wir es können. Yes, we can! Nein, im Ernst: Es gibt ganz enge Verflechtungen auf technologischer Ebene zwischen der Metrologie und dem Quantencomputing. Für mich ist ganz klar, dass sich die beiden Gebiete gegenseitig sehr gut und sehr stark befruchten. Und in der aktuellen Situation ist es zudem so, dass die PTB aufgrund ihrer Expertise gerade in den Quantentechnologien eine besondere Stellung an vorderster Front einnimmt.

Redaktion: Umschreiben Sie damit die Arbeit am Quantencomputer auch als eine Art von metrologischer Vorlaufforschung?

Piet Schmidt: Oh ja, das ist schon so. Am Ende wird es darum gehen, die einzelnen Komponenten für einen Quantencomputer auch zu zertifizieren. Also so wie wir heute elektrische Komponenten haben oder Computeranschlüsse, müssen wir hinterher Chips charakterisieren, Schnittstellen definieren, Richtlinien aufstellen usw. Das muss alles charakterisiert und normiert werden. Das ist auch etwas, was wir an der PTB im Rahmen des Quantentechnologiezentrums machen. Dieser anwendungsbezogene Aspekt ist eng angebunden an unsere Arbeiten.

Redaktion: Herr Schmidt, vielen Dank für das Gespräch.

Quelle: Presseinformation der PTB (Öffnet in einem neuen Tab) 


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