Ein Sprachpurist auf dem Fußballfeld

Der Braunschweiger Konrad Koch begründete 1875 die deutsche Fußballsprache

 

Braunschweig, 14. Februar 2011

100 Jahre ist es her, dass am 13. April 1911 in Braunschweig der Gymnasialprofessor Konrad Koch im Alter von 65 Jahren verstarb. Im Jubiläumsjahr des deutschen Fußball-Pioniers sind zahlreiche Ehrungen – darunter die Umbenennung einer traditionsreichen Braunschweiger Sportstätte in „Konrad Koch-Stadion“ geplant oder haben bereits stattgefunden. Warum der Fußball in Deutschland ohne Konrad Koch heute nicht vorstellbar wäre, verrät die Beschäftigung mit dem Spielförderer und Sprachformer aus Braunschweig.

Als Konrad Koch und August Hermann im Herbst einen Ball unter einige ihrer Schüler vom Martino-Katharineum warfen, genügten zunächst einige einfache Grundregeln, damit auf einem Spielplatz in Braunschweig zum ersten Mal das englische ‚Football‘ gespielt werden konnte. Im Jahr 1875 veröffentlichte Konrad Koch die ersten Fußball-Regeln: auf Deutsch. Was zunächst vor allem dazu gedacht war, den Schülern den Zugang zu dem neuen Spiel zu erleichtern, stand am Beginn eines fußballsprachlichen Sonderweges in Deutschland.

„Es ist wichtig, den hier vorliegenden Regeln die Bemerkung voranzuschicken, dass dieselben zum ersten Mal der deutschen Jugend in einer Form dargeboten werden, welche es ermöglicht, das englische ‚Football‘-Spiel auf den Spielplätzen unserer Jugend einzubürgern“, schrieb Konrad Koch in der Einleitung. Anders als im Kinofilm mit Daniel Brühl ging es Konrad Koch nicht darum, über die Faszination Fußball seine Schüler für die englische Sprache zu gewinnen. Ganz im Gegenteil: Alle englischen Spielbegriffe ersetzte Koch durch deutsche „Kunstausdrücke“.

„Anders als etwa in Österreich und der Schweiz, wo zahlreiche englische Begriffe wie „corner“ für „Ecke“ üblich sind, wird bei uns auf dem Fußballplatz hauptsächlich deutsch gesprochen“, erklärt der Sprachwissenschaftler Armin Burkhardt. „Kochs Regelheft von 1875 markiert den Beginn der mit dem Fußballspiel in Deutschland verbundenen Sprache“, so der Professor der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Seit Jahren befasst sich Armin Burkhardt, der auch Mitglied des Hauptvorstandes der Gesellschaft für deutsche Sprache ist und u.a. ein Fußballwörterbuch mit rund 2200 Stichworten verfasst hat, intensiv mit der Erforschung der deutschen Fußballsprache.

„Konrad Kochs Fußballregeln beschreiben in 62 Paragraphen nicht nur die Spielregeln, sondern definieren erstmals auf Deutsch auch die Begriffe, die die Elemente des Spielfeldes sowie die wichtigsten Spielhandlungen und -positionen bezeichnen“, weiß Armin Burkhardt. Hinter dem wortschöpferischen Eifer des Fußball-Pioniers aus Braunschweig habe jedoch nicht nur sein pädagogischer Ansatz gestanden, der im Fußballspiel vor allem eine Ergänzung des Turnens sah. „Die Einführung des Fußballs durch Konrad Koch fiel in die Jahre nach dem deutsch-französischen Krieg, eine Zeit geprägt von gesteigertem Nationalismus, der sich auch in sprachlichem Purismus äußerte“, erklärt der Magdeburger Sprachwissenschaftler, der am 20. April um 19.00 Uhr einen Vortrag im Braunschweiger Haus der Wissenschaft halten wird. „In den Jahren zu Beginn des vorigen Jahrhunderts fand dann geradezu eine Kampagne gegen die englische Sprache im Fußball statt.“

Dem Vorwurf, der Fußball habe einen „undeutschen Charakter“, versuchte Konrad Koch vor diesem Hintergrund durch die konsequente Eindeutschung der Spielsprache entgegenzutreten. Im Kern ging es dem Braunschweiger Fußball-Lehrer darum, den Fußball zu einem deutschen Spiel werden zu lassen. Als Philologe – Konrad Koch unterrichtete Deutsch und Alte Sprachen – sympathisierte er mit den sprachpuristischen Auffassungen des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins, dessen Gründer der Braunschweiger Museumsdirektor und Kunstprofessor Herman Riegel (1834-1900) war. In der Zeitschrift des Sprachvereins veröffentlichte Koch 1903 einen Aufsatz, der den Gebrauch „eingeschlichener“ englischer Ausdrücke rügte und den Gebrach von richtigem Deutsch auf den Spielplätzen anmahnte.

Im Anhang dieses Aufsatzes brachte Koch dazu eine Liste mit englischen Fußballbegriffen und ihren deutschen Entsprechungen. Darunter etwa „Ecke“ für das englische „corner“, „Stürmer“ für „forward“, „Freistoß“ für „free-kick“, „Halbzeit“ für „half time“ oder „abgeben“ bzw. „zuspielen“ für „to pass“. Die Vorschläge Kochs gab der Sprachverein schließlich 1905 unter dem Titel „Deutsche Ausdrücke für das Fußballspiel“ als günstige Übersichtstafel für die deutschen Fußballvereine heraus. Ein weiterer Grund, warum die Fußballbegriffe des Braunschweiger Fußball-Pioniers langfristig auf den deutschen Fußballplätzen heimisch werden konnten. Zwar konnten sich einige der Kochschen Neuschöpfungen langfristig nicht durchsetzen (z.B. der „Fußballkaiser“ oder der Begriff „Mal“). Viele der Kochschen Kunstausdrücke, man denke nur an „Abseits“ („off side“) oder „Strafstoß“ („penalty kick“), sind jedoch bis heute gebräuchlich.

„In der heutigen Fußballfachsprache und im Sportjargon werden zwar Wörter wie Coach, Dribbling, Goalgetter und Kick-and-rush verwendet“, zieht Sprachwissenschaftler Armin Burkhardt den Bogen zur Gegenwart. „Doch sind Anglizismen für die deutsche Fußballsprache eine seltene Ausnahme und machen nicht wesentlich mehr als ein Prozent des Fußballwortschatzes aus.“ So ist die Begründung der deutschen Fußballsprache vielleicht die nachhaltigste Leistung des Lehrers, Spielförderers und Fußball-Pioniers Konrad Koch, der vor 100 Jahren in seiner Heimatstadt Braunschweig gestorben ist.

Weitere spannende und unterhaltsame Informationen und Lesetipps zu Konrad Koch gibt es im Internet unter der Adresse www.braunschweig.de/fussball (Öffnet in einem neuen Tab)

Porträt von Konrad Koch© Archiv Kurt Hoffmeister / Jean Baptiste Feilner
Titelseite der ersten deutschen Fußballregeln von 1875© Archiv Kurt Hoffmeister

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