Karlstraße 35 - Brunsviga

„Brunsviga“, die lateinische Form von Braunschweig steht heute für das Kultur- und Kommunikationszentrum im östlichen Ringgebiet im Gebäudekomplex einer ehemaligen Konservenfabrik .

Wer kennt heute z.B. noch Brunsviga Fahrräder, die Nährmittelfabrik Brunsviga? (Sie produzierte Puddingpulver und das Backpulver Brunin). Oder den 1896 gegründete Braunschweiger Fußballclub FC Brunsviga, ein Gründungsmitglied des DFB, der aber nur fünf Jahre existierte. Durch Zusammenschluss entstand die Turnerschenschaft Brunsviga - Brunonia.

Kehren wir ins Östliche Ringgebiet zurück. Brunsviga hießen die mechanischen Rechenmaschinen der Firma Grimme Natalis & Co. (Kastanienallee). In der Parkstraße hatte 1872 der Firmengründer Albert Natalis eine spätklassizistische Villa als neuen Familiensitz erbaut, das heutige Cafe Klio. Sein Großvater Charles Natalis, ein aus Frankreich emigrierte „Traiteur“ (Gourmetkoch), betrieb bereits 1799 das vornehme Hotel Preußischer Hof am Damm. 

Das Kulturzentrum Brunsviga nun hat – wie schon berichtet, die Gebäude und den Namen von der Konservenfabrik übernommen.

Begonnen hatte die Konservenproduktion auf dem Grundstück Karlstraße 35 im Jahre 1880.  John Richardson gründete damals die Fabrik John Richardson & Co zur Herstellung von „Pickles“. Durch den Namen wurde eine Verbindung mit England, der „Pickels – Heimat“ assoziiert; die Qualität war allerdings so hervorragend, dass man sogar London belieferte. Im Jahre 1895 wurde die Firma in eine Genossenschaft  m. b. H umgewandelt und Brunsviga genannt. 

Im Jahre 1898 wurde über sie berichtet: “Diese Gesellschaft setzt sich zusammen aus 38 Genossen mit 300 Morgen Spargel, welche einen Ertrag von 7500 Zentner Spargel liefern. Da die Gesellschaft nur Spargel aus den eigenen Ländern verarbeitet, ist dieselbe in der Lage, nur prima Qualität zu liefern. Bei Übernahme der Fabrik durch die Genossenschaft ist letztere durch bedeutende Um- und Neubauten, sowie durch vollständige Neuanschaffung sämtlicher Maschinen und Kochapparate das vierfache Quantum zu verarbeiten  wie vorher und steht vollständig auf der Höhe der Zeit. Außer den Konserven der sämtlichen heimischen Gemüse werden Fleischkonserven fabriziert, welche hauptsächlich nach unseren afrikanischen Kolonien versandt werden. Als Spezialität übt die Fabrik die Anfertigung von Pickles, Mixed Pickles und englischen Saucen. Die Fabrik ist hierin die größte am Platze  und es werden davon jährlich 2500 Zentner fabriziert. Außer dem Vertrieb in den heimischen Großstädten, Norddeutscher Lloyd und andere mehr, werden dieselben hauptsächlich nach Schweden und Dänemark, speziell nach Stockholm und Kopenhagen versandt.“

Das Östliche Ringgebiet war  also vor etwa 100 Jahren eine Konservenhochburg in der Konservenindustrie mit folgenden Firmensitzen.: Ahrens später C.H. Daubert Wiesenstraße 1, Asche, Griese und Göbel Karlstraße 31, Brunsviga Karlstraße 35 - J. Grunsfeld (Beenke) Kastanienallee 18 und Marienstr. 57 - Krone Kastanienallee 40 - Küthemann Hopfengarten 21- Reichert Hopfengarten 13 - Reichert und Heinemeyer Rosenstraße 5 und Marienstraße 9 

1934 wurden noch drei weitere benannt: Heine und Co Nußbergstr. 17 und Carl Daubert Kasernenstr. 28. 

Der Konservenfabrikation verdanken heute die Chemieschule Dr. Heinemann (Altewiekring) entstanden aus dem Konserventechnikum in Braunschweig und das Institut Nehring (Bismarckstr.) ihre Existenz. Letzteres wurde als „Institut für Konserventechnologie“ gegründet. Professor Nehring hatte über 20 Jahre Vorlesungen über die Technologie der Konservenherstellung gehalten und ist Hauptverfasser des Konserventechnischen Taschenbuches gewesen. 

Diese relativ kleinen Konservenfabriken im östlichen Ringgebiet bedingt durch wachsenden Preisdruck der Konkurrenz nicht mehr standhalten, wurden zunächst verlagert und vergrößert, mussten aber letztlich ihre Produktion einstellen. Auch die Konservenfabrik Brunsviga, die größte im Östlichen Ringgebiet, musste 1981 schließen. Damals gelang es der Stadt, den größten Teil des Grundstücks zu erwerben und in zwei Bauabschnitten einen Kindergarten und ein Kulturzentrum zu errichten. In der Begründung zum Bebauungsplan heißt es: „ Es besteht darüber hinaus ein grundsätzliches öffentliches Interesse am Erhalt der ehemaligen Fabrik, die als Produktionsstätte der Konservenindustrie im östlichen Stadtteil eine erhebliche Bedeutung, sowohl für die Stadt Braunschweig als auch für das Stadtgebiet selbst besaß“ 

Den eleganten  Schriftzug, der auch das Kulturzentrum ziert, verdanken wir dem Grafiker Wilhelm Gruber, der für die Fabrik auch die Etiketten der Konservendosen gestaltet hat.. Im letzten Jahr nutzten über 150000 BesucherInnen das das vielfältige Angebot des Hauses, Inzwischen hat sich die Brunsviga zu einem der größten soziokultuerellen Zentren in Niedersachsen gemausert. 

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