Wolf Haas, Preisträger 2006

Der Wilhelm-Raabe-Literaturpreis 2006 ging an den Wiener Autor Wolf Haas (46) für sein Buch „Das Wetter vor 15 Jahren". Dies hat der Verwaltungsausschuss der Stadt Braunschweig am Dienstag, 5. September 2006, entschieden. Er folgte dem Vorschlag einer Fachjury, die Haas aus 15 Autoren ausgewählt hatte. Der Wilhelm-Raabe-Literaturpreis wird jedes Jahr von der Stadt Braunschweig und dem Sender Deutschlandradio vergeben und ist mit 30.000 Euro dotiert. Ausgezeichnet wird ein in deutscher Sprache verfasstes erzählerisches Werk, das einen besonderen Stellenwert in der Entwicklung des Preisträgers hat und im Zeitraum von zwei Jahren vor der Preisvergabe erschienen ist.

Wolf Haas sei einer der schönsten Romane des komischen Genres seit vielen Jahren gelungen, lobte die Jury in ihrer Begründung. Erzählt wird die Rückkehr eines Mannes nach 15 Jahren in den Urlaubsort seiner Jugend, ein Alpendorf, just zu dem Zeitpunkt, an dem seine Liebe aus Kindheitstagen dort einen Anderen heiraten will. Diese innere Romanhandlung mit vielen Verwicklungen und einem „hollywoodreifen Finale", so die Jury, ist eingebettet in eine Rahmenerzählung, in der der fiktive Autor des Werks mit einer Kritikerinstanz, die „Literaturbeilage" genannt wird, über Inhalt und Qualität des Romans diskutiert. Mit diesem Ansatz vollzieht Wolf Haas eine Neuorientierung von den satirischen Kriminalromanen, den erfolgreichen „Brenner-Romanen", seines bisherigen Werks hin zu einem stärker reflexiven Erzählen.

„Aus einem Dialog über das Machen eines Romans entwickele sich ein handlungsstarker, figurenreicher, witziger und komischer Roman, der den Leser schließlich traumwandlerisch sicher ergreift und mitreißt", so das Urteil der Jury über „Das Wetter vor 15 Jahren". „Diese Kunst, aus der Literaturreflexion Hochdruckliteratur zu entwickeln, ist einmalig. Und die Form des Romans ist gänzlich neu und eine rasante Widerlegung des modernen Glaubensbekenntnisses, alles sei schon gemacht worden und man könne es nur noch mehr oder weniger gut variieren."

Die Jury setzte sich in diesem Jahr zusammen aus:

Ursula März (Die Zeit, Deutschlandradio)
Kristina Maidt-Zinke (Süddeutsche Zeitung)
Prof. Dr. Renate Stauf (Seminar für Deutsche Sprache und Literatur, Technische Universität Braunschweig)
Dr. h. c. Gerd Biegel (Direktor des Braunschweigischen Landesmuseums und Präsident der Raabe-Gesellschaft)
Dr. Eberhard Falcke (Die Zeit u. a.)
Hubert Spiegel (FAZ)
Dr. Hubert Winkels (Deutschlandradio)

Die vollständige Begründung der Jury lautet:

"Satire, Witz, Humor, sagt man, seien keine Stärken der erzählenden deutschsprachigen Literatur. Seit etlichen Jahren kann die Lektüre der Romane von Wolf Haas auch hartgesottene Skeptiker eines Besseren belehren. Dabei dauerte es eine Weile bis die grandiosen sprachlichen und erzähldramaturgischen Fähigkeiten des 1960 in der österreichischen Provinz am Steinernen Meer geborenen, heute in Wien lebenden Autors auch vom Feuilleton gewürdigt, ja gerühmt wurden. Denn Wolf Haas schrieb Krimis, mit dem Serienhelden, dem Kommissar und späteren Detektiv Brenner, die zugleich als Krimisatiren gelesen werden können. Im Abstand zwischen einem redseligen Erzähler und einem wortkargen Helden entfaltetet Haas den ganzen Reichtum seiner Einfälle und seines an der avantgardistischen Wiener Gruppe geschulten Sprachwitzes. Nach sechs erfolgreichen Romanen ähnlicher Bauart, die schließlich zu Bestsellern wurden und u.a. als Höhepunkt der deutschen Popliteratur gefeiert wurden, entschied sich Haas für eine Neuorientierung. Das Ergebnis dieses Prozesses, die Reflexionen, Skrupel, Grübeleien, der gesamte so entstehende poetologische Apparat, ist nun eingegangen in 'Das Wetter vor 15 Jahren' - und zwar derart, dass sich aus einem Dialog über das Machen eines Romans ein handlungsstarker, figurenreicher, witziger komischer Roman entwickelt, der den Leser schließlich traumwandlerisch sicher ergreift und mitreißt. Diese Kunst, aus der Literaturreflexion Hochdruckliteratur zu entwickeln, ist einmalig. Und die Form des Romans ist gänzlich neu und eine rasante Widerlegung des modernen Glaubensbekenntnisses, alles sei schon gemacht worden und man könne es nur noch mehr oder weniger gut variieren.
Mit 'Das Wetter vor 15 Jahren', einem Roman, der inhaltlich von einer 'Wetten dass?'-Show seinen Ausgang nimmt und in einem hollywoodreifen Finale mündet, hat Wolf Haas einen der schönsten Romane des komischen Genres seit vielen Jahren geschrieben."

 

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