Christian Kracht, Preisträger 2012

Der Schriftsteller Christian Kracht erhielt den Wilhelm Raabe-Literaturpreis 2012. Der mit 30.000 Euro dotierte Wilhelm Raabe-Literaturpreis, gestiftet von Stadt Braunschweig und Deutschlandfunk, geht an Christian Kracht für seinen Roman „Imperium“ (erschienen 2012 im Verlag Kiepenheuer & Witsch).

Der Oberbürgermeister der Stadt Braunschweig, Dr. Gert Hoffmann, und der Intendant von Deutschlandradio, Dr. Willi Steul, stimmten dem Vorschlag der Jury zu.

Die Jury setzte sich in diesem Jahr zusammen aus:

Prof. Dr. Gerd Biegel (Präsident der Internationalen Raabe-Gesellschaft)
Dr. Roman Bucheli (Neue Zürcher Zeitung)
Dr. Julia Encke (FAS)
Dr. Anja Hesse (Dezernentin für Kultur und Wissenschaft)
Ursula März (u.a. Die ZEIT)
Dr. Michael Schmitt (3sat)
Julia Schröder (Stuttgarter Zeitung)
Prof. Dr. Renate Stauf (Institut für Germanistik)
Dr. Hubert Winkels (Deutschlandfunk)

Die Begründung der Jury lautet:

„Die deutschen Kolonien zu Kaiser Wilhelms Zeiten waren schon häufiger Gegenstand der erzählenden Literatur. Doch noch nie so farbig schillernd, so böse komisch, phantastisch realistisch, pathologisch weltbeglückend, so schräg verzerrt wie in Christian Krachts Roman „Imperium“. Ein groteskes Sittenbild des frühen 20. Jahrhunderts, in dem Lebensbewegte, Lebensreformer, bärtige Bohemiens und aufbegehrende Aussteiger ihren privaten Wahnsinn zu Welterlösungsideen ausweiteten, übers Meer fuhren, um Land zu gewinnen, und Wahnsinn fanden, den lachenden Tod.

August Engelhardt, Held des „Imperiums“ war so einer, ein historisch verbürgter idealistischer Ritter mit der Kokosnuss, der eben diese behaarte Kugel anbetete, um eine Religion damit zu begründen, einen Kokovoren-Kult. Man kann diesen Kern des Romans in Geschichtsbüchern nachlesen, um in einen erkenntnisfördernden Wettbewerb zwischen irrer Realität und literarischer Irrealität einzutreten. „Imperium“ kommt heiter parlierend daher, im Ton des späten, leicht überdrehten realistischen Stils des späten 19. Jahrhunderts, das bekanntlich auch die Ära Wilhelm Raabes war. Der Roman gehört zu jenen leichten schönen Dingen, die bekanntlich schwer zu machen sind. Solche Kunst der heiter-hintergründigen Art weiß auch schwere Geschichtsbrocken zu kommunizieren, wie die indirekte Parallelführung des manischen Fruchtverehrers Engelhardt mit dem bellenden Vegetarier Hitler; das machtgestützte imperiale Wüten des 2. Kaiserreichs; die Steigerung der Marotte zur Selbstvernichtung, den Umschlag des Vegetarismus in Kannibalismus, der guten Absichten also in menschliche Grausamkeit.

Auf dieser Grenze zwischen Komik und Schrecken balanciert der Roman mit großer Sicherheit und bildet so einen bedeutenden Knoten im Gewebe der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur."

Oberbürgermeister Dr. Gert Hoffmann und der Intendant Dr. Willi Steul, überreichen Christian Kracht den Wilhelm Raabe-Literaturpreis 2012 am 4. November im Rahmen eines Matinee-Festaktes im Kleinen Haus des Braunschweiger Staatstheaters. 

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