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Digitale Innenstadt

Wo Persönlichkeit entscheidet

Was macht die Digitalisierung eigentlich mit der Braunschweiger Innenstadt, dem lokalen Handel vor Ort? Auf unterschiedlichsten Wegen nutzen Stadt und Handel neue digitale Möglichkeiten für sich – verbinden dabei die Welten zwischen Off- und Online.

Sascha Hummel, Vorstandsmitglied im Arbeitsausschuss Innenstadt Braunschweig, kurz AAI.© Foto: Falk-Martin Drescher

Ein sonniger Tag im April zur Mittagszeit: Sascha Hummel spaziert durch die Braunschweiger Innenstadt und lässt die Gedanken kreisen. Im Vorstand des Arbeitsausschuss Innenstadt Braunschweig, kurz AAI, setzt er sich ehrenamtlich für diverse Themen ein, unter anderem die Digitalisierung. Es ist sein berufliches zu Hause – denn eigentlich ist er Geschäftsführer der IT-Firma Nordsys. „In der IT-Welt passiert täglich etwas Neues. Es gibt neue Technologien, die das Leben oder auch die Vernetzung einfacher machen. Was heute aktuell ist, ist morgen schon wieder veraltet.“ Wenngleich er sich in seinem Job vor allem mit digitalen Welten beschäftigt: Die Innenstadt liegt ihm sehr am Herzen. „Letztendlich kann eine Stadt nur existieren, wenn es einen lebendigen Handel und eine vielfältige Gastronomie gibt“, formuliert er den Antrieb, warum er sich im AAI engagiert. Das spüre ich nicht nur als Shopping-Gast, sondern auch als Berufstätiger, der etwa jeden Tag mittags nach spannenden gastronomischen Angeboten für seine Pause sucht.
Damit ist Hummel per se in zwei Welten unterwegs – dem Onlinehandel als auch dem stationären Einzelhandel. „Es wird viel von der Gefahr gesprochen, dass der Onlinehandel dem lokalen Händler das Geschäft wegnimmt. Dabei können die Onlinekanäle einerseits eine Chance sein, andererseits kann sich der stationäre Händler mit überzeugenden Angeboten – die das Internet nicht bieten kann – gegenüber dem Onlinehandel positionieren.“ Was die Geschäfte vor Ort auszeichne? „Die Gäste können die Produkte anfassen und testen. Auch kann der Einkauf ein echtes Erlebnis sein, begonnen mit guter Beratung und gutem Service hin zu zusätzlichen Anreicherungen wie kleinen Veranstaltungen sowie Aktionen.“ Das Geschäft als Showcase. Das können Lesungen sein wie etwa in der Buchhandlung Graff, Afterwork-Events wie unter anderem im Hey Store oder auch Vorträge zu aktuellen Themen, wie es beispielsweise Wunderbar Unverpackt und auch Jojeco umsetzen. Dabei gibt es nicht „das“ richtige Format – es ist auch ein bisschen Trial & Error dabei.

Ein durchgängiges Einkaufserlebnis

Der aktuellen Handelssituation bescheinigt das AAI-Vorstandsmitglied eine gute Ausgangslage. „Die Braunschweiger Innenstadt hat durch ihren historischen Charme einen besonderen Charakter. Die Wege sind sehr kurz, alles ist zentral gelegen – auch gibt es in den Straßen ein sehr durchgängiges Einkaufserlebnis.“ Die Mischung aus kleinen Einzelhandelskonzepten, größeren Marken, Filialisten und globalen Playern sei sehr angenehm. Hier treffen außergewöhnliche inhabergeführte Geschäfte auf international bekannte Ketten, ein vielfältiges Wechselspiel. „Für ein derartiges Zusammenspiel müssen Sie sonst schon recht weit fahren.“ Neben dem klassischen Handel kommt Hummel bei seinem Rundgang durch die Fußgängerzone auf Höhe der Neuen Straße auch auf das Thema Gastronomie zu sprechen. „Es kommen immer neue gastronomische Konzepte nach Braunschweig. Atelier Café, Nem Grill, Zapie oder auch Corvins Burger & Beer: Die Neue Straße etwa hat sich in den vergangenen Jahren sehr stark zu einer kulinarischen Meile entwickelt, in der Zukunft wird sich das sicherlich noch weiter verstärken.“ Damit sich die Innenstadt nicht nur vielfältig weiterentwickelt, sondern auch digital fit wird und bleibt, setzt sich der AAI mit unterschiedlichsten Projekten für Einzelhandel, Gastronomie & Co. ein. „Mit der Partnerinitiative ‚Digitalmentoren (Öffnet in einem neuen Tab)‘ wollen wir gemeinsam mit weiteren Institutionen die Akteure in der Braunschweiger Innenstadt – von Einzelhändlern über Gastronomen, Hoteliers und Dienstleister bis hin zu Kulturschaffenden – dabei unterstützen, die Chancen der Digitalisierung bestmöglich zu nutzen.“ Der AAI selbst veranstalte etwa eine eigene „Impulse“-Reihe mit unterschiedlichsten Referenten aus Theorie und Praxis.

Nutzen und Komfort im Fokus

Einen wachen Blick auf die Entwicklung der hiesigen Innenstadt hat auch Björn Nattermüller, Bereichsleiter Produktion bei der Braunschweig Stadtmarketing GmbH. Die Tochterfirma der Stadt Braunschweig sitzt direkt in der Fußgängerzone – mit bestem Blick auf den Arbeitsplatz: Die turbulente City. Für Nattermüller beginnt das Zusammenspiel von Innenstadt und Digitalisierung schon bei der Anfahrt: „Ich glaube, dass Nutzen und Komfort ganz wesentliche Aspekte für Services sind, etwa im Bereich der Mobilität. Und da sind neue digitale Lösungen eine große Chance: Eben, um etwa neuen Komfort zu ermöglichen.“ Das können Apps sein, die Abfahrtzeiten von Bus und Bahn in Echtzeit anzeigen – oder auch Parkscheinsysteme, die sich über das Smartphone bedienen lassen. „Die Besucherinnen und Besucher einer Stadt interessiert doch vor allem: Wie komme ich einfach und schnell in die Stadt? Über intelligente Apps können bestenfalls die unterschiedlichen Verkehrsträger auf einmal abgebildet werden.“ Seien es neue Carsharing-Anbieter, der digitale Parkschein travipay oder auch hilfreiche Anpassungen der App der hiesigen Verkehrs-GmbH: Braunschweig ist auf dem Weg zur Smart City. Nicht nur im Mobilitätsbereich. 
Mit Blick auf den lokalen Einzelhandel denkt auch Nattermüller an die Bedeutung der Digitalisierung – etwa, dass Kunden „ihre“ Lieblingsgeschäfte auf bestmöglich allen Kanälen erreichen können – allerdings auch an das Schlagwort „Service“. „Es geht nicht nur darum in Digitalisierungsschulungen zu investieren, sondern auch in Serviceschulungen. Der persönliche Kontakt ist ein wesentliches Merkmal im lokalen Einzelhandel, diese Chance kann noch besser ausgespielt werden.“ Den Kunden abholen, begeistern und an das Unternehmen binden. „Wir sprechen also etwa über eine gute Beratung, neue Services und erlebnisreiche Atmosphäre“, so der Bereichsleiter. Und auch Nattermüller geht noch einen Schritt weiter. „Der Kunde steht vor der Entscheidung: Bleibe ich auf dem Sofa liegen oder fahre ich in die Stadt? Und wenn ja, in welche eigentlich?“ In Bezug auf die Stärkung der stationären Ladenflächen seien attraktive Veranstaltungen und Formate eine wichtige Säule für die Innenstadtakteure.

Björn Nattermüller, Bereichsleiter Produktion bei der Braunschweig Stadtmarketing GmbH.© Foto: Falk-Martin Drescher

Vielfältige Maßnahmen zur Erfolgskontrolle

Dass sich die Braunschweiger Innenstadt gut entwickelt, das kann Nattermüller nicht nur täglich auf seinem Weg ins Büro sehen, sondern auch hervorragend belegen: „Wir führen lasergesteuerte Passantenfrequenzmessungen an sieben Standorten in der Braunschweiger Innenstadt durch, um verlässliche Daten über Besucherzahlen in der Stadt zu erlangen und das Laufverhalten der Kunden und Gäste zu analysieren und auf mögliche Veränderungen rechtzeitig hingewiesen zu werden.“ In Kooperation mit der hystreet.com GmbH (Öffnet in einem neuen Tab) werden die Frequenzdaten übrigens mittlerweile für alle Interessierten direkt zugänglich veröffentlicht. Auch seien regelmäßige Kundenbefragungen ein wichtiger Hinweisgeber darauf, was die Gäste der Stadt besonders am Angebot schätzen oder vermissen würden. Meine Meinung, sie zählt.

Off- oder Online? Letztendlich stellt sich diese Frage weder für Hummel, noch für Nattermüller – oder mich als Gast des Stadtkerns. „Die Kanäle verschmelzen – und der Kunde erwartet, dass die Innenstadtakteure die gesamte Klaviatur beherrschen“, resümiert der Bereichsleiter Produktion. Unter dem Strich wünsche man sich gute Erlebnisse, „und die Chance darauf gibt es bei den vielfältigen Konzepten in der Innenstadt jeden Tag aufs Neue.“

Text: Falk-Martin Drescher


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