57 Jahre Volks- und Schützenfest

50 Jahre Volks- und Schützenfeste in der Südstadt.

Wie war es damals, als das erste Fest gefeiert wurde?

Nach dem Zweiten Weltkrieg hatten sich Vertreter der Parteien, Vereine und Verbände in der Siedlung Mascheroder Holz zusammengefunden, um die Interessen der Siedlung zu vertreten und den Einwohnern bei ihren Problemen und Sorgen zu helfen; daran mangelt es in jenen Jahren nicht. Es gab nicht genügend Wohnraum für die damals 12.000 Bürger. Wo z.B. sollten die Kinder unterrichtet werden, denn ausreichend Klassenräume für die rd. 1.100 Schulkinder waren nicht vorhanden; der Omnibusverkehr in die Stadt ließ zu wünschen übrig.

Durch die Währungsreform im Jahre 1948 besserten sich die Wirtschaftsverhältnisse und langsam ging es uns besser. Auch die Kriegsschäden an den Häusern konnten zügig beseitigt werden; Garagen wurden errichtet und, um die Wohnungsnot schneller lindern zu können, begannen an vielen Häusern Um- und Ausbauten.

Die Siedlung vergrößerte sich durch die ersten neuen Häuser am Baumeisterweg im Frühjahr 1949, 1950 folgten die Mietwohngrundstücke an der Jüdelstraße. Noch vorhandene Baulücken am Dachdeckerweg, Heidbleekanger und anderen Straßen wurden bebaut. Lange zurückgestellte Wünsche konnten erfüllt werden. Aber ein Wunsch war noch offen – ein großes Fest, das alle Bewohner in der Siedlung vereinen sollte.

Als sich dann am 15. August 1950 die Mehrheit der Delegierten der Vereine, Parteien und Verbände für einen Zusammenschluss zur „Siedlergemeinschaft
Braunschweig-Süd“ einigten, beschloss man gleichzeitig, am 19. und 20. August 1950 ein großes Fest in der Siedlung Mascheroder Holz zu feiern. Bei der Eröffnung des Festes in Anwesenheit des damaligen Oberstadtdirektors Dr. Erich Walter Lotz und mehrerer Ratsherren wünschte Ratsherr Hans Leonhards als Vorsitzender der Siedlergemeinschaft, dass dieses „Fest der Gemeinschaft und des Frohsinns“ ein Vorbild für andere Stadtteile sein möge. Ein Vergnügungspark, wie wir ihn uns heute kaum Vorstellen können, erstreckte sich von der Engelsstraße – wo heute die St. Markus-Kirche steht – über den Welfenplatz bis hin zur Schule.

An der Eröffnung des Festes auf dem Welfenplatz nahmen fast 4.000 Menschen teil. Der Platz war so voll wie heute in der Stoßzeit beim „Südstädter Weihnachtsmarkt“. Auch die Beteiligung am Lampionumzug übertraf alle Erwartungen. 3.000 Kinder gingen mit ihren Laternen durch die Straßen.

Das zweite „Fest der Gemeinschaft“ 1951 dauerte dann schon drei Tage und mit einem Staffellauf durch die Siedlung fand erstmals eine Sportveranstaltung an den Festtagen statt. In den ersten Jahren waren die Feste durch Sportveranstaltungen stärker geprägt als heute; aber ein fester Bestandteil sind sie auch jetzt immer noch.

So fanden 1954 beispielsweise mehrere Fußball und Handballspiele statt. Außerdem wurde neben dem Staffellauf eine große Radsportveranstaltung mit dem Radsportverein Braunschweig von 1923 durchgeführt und im Roxy-Filmtheater kämpfte eine Auswahl von „Lokomotive Berlin“ gegen die Boxstaffel des SV Süd. Die Siegerehrungen erfolgten unter großer Beteiligung der Bürger vor dem Roxy. Nach der Auflösung der Boxabteilung des SV Süd gründete sich 1972 der Box-Club 72, der die Boxgroßveranstaltungen während der Festtage fortführt.

Mit Begeisterung nahmen die Schulkinder als Klassen an den Festumzügen teil. 1960 fand gleichzeitig während der Festtage ein Schulfest statt. 1962 wurden in der Zeit des Festes die Bundesjugendspiele durchgeführt, 1971 das Schulsportfest gefeiert. Als 1965 im Gemeinschaftshaus (Roxy) der Mehrzweckraum mit der Bühne und 180 Sitzplätzen eingerichtet wurde, führten die Schulkinder an zwei Tagen des Volks- und Schützenfestes das Spiel „Wir sind jung, die Welt ist offen“ auf.

Mit Bedauern wird daher die immer geringere Beteiligung der Schulkinder registriert.

In den sechziger Jahren wurde zu Beginn des Volksfestes, wie beim „Münchener Oktoberfest“, das Bier der Braunschweiger Brauereien (Hofbrauhaus Wolters, Feldschlößchen, National Jürgens und Burg Brauerei) auf Pferdefuhrwerken eingeholt.

Seit mehreren Jahren werden die Volks- und Schützenfeste mit dem Anstich eines Bierfasses eröffnet.

Es soll hier nicht vergessen werden, dass es hin und wieder einmal so Besonderheiten gab:
Zum Beispiel als die Schreberjugend im Jahre 1960 ihre Volkstänze im Hermann-Löns-Park aufführte, war in der Festschrift folgender Hinweis zu lesen:

Wir bitten die Zuschauer im Interesse der Erhaltung
der Rasenflächen bei der Veranstaltung sich nur
auf den angrenzenden breiten Wegflächen aufzuhalten.

So streng waren damals die Bräuche.

In den siebziger Jahren feierten die ersten Vereine in der Südstadt während der Volks- und Schützenfeste ihre Jubiläen.

1973 bestand der Männergesangverein „Liedertafel Braunschweig-Süd“ 25 Jahre; 1977 konnte der Schützen-Klub „Grüne Gilde“ und 1978 die Bezirksgruppe Augusttor der Deutschen Schreberjugend das 25jährige Jubiläum feiern.

Als ältester Verein in der Südstadt beging die Siedlergemeinschaft Südstadt im Deutschen Siedlerbund bereits 1976 das 40jährige Bestehen.

Vergessen wir das Jahr 1974 nicht. In diesem Jahr wurde das 25. Volks- und Schützenfest gefeiert. Mit einem „Großen Bunten Abend“ und der „Bayerischen Hitparade“ begannen die drei Festtage. Seit 1985 findet vor der Eröffnung des Volks- und Schützenfestes im Hermann-Löns-Park ein ökumenischer Gottesdienst statt.

Als letzter Veranstalter in Braunschweig beendet die Bürgergemeinschaft Südstadt e.V. ihr Volks- und Schützenfest mit dem „Großen Zapfenstreich“, früher im Hermann-Löns-Park und jetzt, nach Verlegung des Festplatzes an die Griegstraße, auf dem Welfenplatz.

In den Jahren sind die Volks- und Schützenfeste nicht nur ein fester Bestandteil im Leben der Südstadt geworden, sie haben die Hast und die Hektik des Alltags vergessen lassen und auch das Gemeinschaftsgefühl gestärkt.

Es wird immer vom Siedlerfest gesprochen, aber wie war es wirklich?

1950 „Fest der Gemeinschaft, der Freude und des Frohsinns“
von 1951 bis 1954 „Fest der Gemeinschaft“
von 1955 bis 1958 „Fest der Südstadt“
seit 1960 „Volks- und Schützenfest der Südstadt“

Wilhelm Lehmann, Ortsheimatpfleger

aus: Festschrift Volks- und Schützenfest 1999

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