Staatstheater Kleines Haus: Aquarium

18:00 - 19:00 Uhr

Deniz Utlu: Vaters Meer

Moderation: Samuel Hamen

Deniz Utlu© Suhrkamp Verlag

Yunus ist dreizehn Jahre alt, da erleidet sein Vater zwei Schlaganfälle und ist fortan nahezu vollständig gelähmt. Er kann nur noch über Augenbewegungen kommunizieren. Zehn Jahre wird er von Yunus’ Mutter gepflegt, erst in einem Heim, dann zu Hause, bevor er stirbt. Und Yunus, der zum Studium ausgezogen ist aus der elterlichen Wohnung, ruft sich immer wieder Bilder aus seiner Kindheit wach: Erlebnisse und Gespräche mit dem Vater, von denen er manchmal gar nicht mehr wusste, dass er sie noch in sich trägt. Sie fügen sich zu dem warmherzigen Porträt eines Mannes, der mit lauter Stimme lachte oder auf Arabisch fluchte, der häufig abwesend und leicht reizbar war und der einst aus Mardin nahe der türkisch-syrischen Grenze nach Istanbul ging, dort den Militärputsch miterlebte und schließlich mit einem Frachtschiff nach Deutschland kam.

"Vaters Meer" erzählt von einem Schicksalsschlag, der eine ganze Familie trifft, von einer Vater-Sohn-Beziehung, die abrupt endet, von Migration und Zugehörigkeit. Deniz Utlu zeichnet die unerwarteten Wege des Lebens wie der Erinnerung nach. Sein Roman zeugt von der Kraft des Erzählens – die dann am deutlichsten wird, wenn die Sprache das Letzte ist, was einem bleibt.

Deniz Utlu, geboren 1983 in Hannover, studierte Volkswirtschaftslehre in Berlin und Paris. Von 2003 bis 2014 gab er das Kultur- und Gesellschaftsmagazin „freitext“ heraus. Sein Debütroman, „Die Ungehaltenen“, erschien 2014 und wurde 2015 im Maxim Gorki Theater für die Bühne adaptiert. Von 2017 bis 2019 schrieb er für den Tagesspiegel die Kolumne „Einträge ins Logbuch“. 2019 erschien sein zweiter Roman „Gegen Morgen“. Außerdem hat er Theaterstücke, Lyrik und Essays verfasst (u. a. für FAZ, SZ, Tagesspiegel und Der Freitag). Er forscht am Deutschen Institut für Menschenrechte und veranstaltet am Maxim Gorki Theater die Literaturreihe „Prosa der Verhältnisse“. Für seine Arbeit wurde er vielfach ausgezeichnet, 2022 stand er auf der Shortlist des WORTMELDUNGEN-Literaturpreises, 2020 erhielt er das Alfred-Döblin-Stipendium, 2021 den Alfred-Döblin-Preis und 2019 den Literaturpreis der Landeshauptstadt Hannover.

19:30 - 20:30 Uhr

Nele Pollatschek: Kleine Probleme

Moderation: Andreas Wunn

Nele Pollatschek© Urban Zintel

Nele Pollatschek erzählt eine alltägliche Geschichte, die mitten ins Herz unserer Existenz trifft. Aus einer To-do-Liste entsteht ein schillernder Roman darüber, wie schwer es ist, einfach nur zu leben.

31. Dezember. Steuererklärung, Wohnung putzen, Bett für die Tochter zusammenschrauben, Lebenswerk schreiben, mit dem Rauchen aufhören – eigentlich wollte Lars, neunundvierzigjähriger Vieldenker und angehender Schriftsteller, die Lücke zwischen den Jahren dafür nutzen, endlich alles zu erledigen, was in den letzten Dekaden so auf der Strecke geblieben ist. Das neue Jahr, so sein Plan, sollte in einem aufgeräumten Leben beginnen. Der Zeitpunkt dafür schien perfekt: Die Kinder waren im Auslandsjahr, die Frau unterwegs. Keiner da, der stören könnte. Doch die Woche, in der noch alles zu schaffen gewesen wäre – plötzlich ist sie aufgebraucht. Der letzte Tag des Jahres hat begonnen – mit Nieselregen, wie sonst? Das Haus ist immer noch chaotisch. Das Leben sowieso. Und als Lars den ersten Punkt seiner To-do-Liste ansteuert, fühlt es sich an, als müsse er nicht nur sich selbst, sondern eine ganze Welt neu erfinden.

In ihrem lustigen, tragischen und philosophischen Roman erzählt Nele Pollatschek von Chaos und der Sehnsucht nach Ordnung, von perfekten Kindern und unperfekten Eltern, von Liebe, kleinen Schrauben und großen Werken. Vor allem aber erzählt sie von der Schwierigkeit, sein Leben nicht auf später zu verschieben.

Nele Pollatschek, 1988 in Berlin geboren, hat Englische Literatur und Philosophie in Heidelberg, Cambridge und Oxford studiert und promovierte darin 2018. Für ihren Debütroman „Das Unglück anderer Leute“ (2016) erhielt sie den Friedrich-Hölderlin-Förderpreis (2017) und den Grimmelshausen-Förderpreis (2019). 2020 folgte das Sachbuch „Dear Oxbridge. Liebesbrief an England“. Nele Pollatschek schreibt für die SZ und erhielt 2022 den Deutschen Reporterpreis.

21:00 - 22:00 Uhr

Thomas von Steinaecker: Die Privilegierten

Moderation: David Hugendick

Thomas von Steinaecker© Isolde Ohlbaum

Hätte nicht alles gut werden müssen? Der neue Roman von Thomas von Steinaecker über die verpassten Chancen einer Generation.

In Norwegen beginnt der Winter. Der erste seit vielen Jahren. In einer abgelegenen Hütte muss sich Bastian eingestehen, dass er zu alt ist, um dort zu überleben. Anstatt zur weit entfernten Siedlung aufzubrechen, beginnt er sich mit seiner Vergangenheit auseinanderzusetzen. Mit seiner Kindheit in den 90ern zwischen Star Wars, Magnum-Eis und Lichterketten gegen Rechts. Der Herausforderung als junger Vater, Familie, Karriere und eigenen Ansprüchen gerecht zu werden. Und mit den Jahren in der geschützten Wohnsiedlung in der Nähe Münchens, in denen die Welt immer bedrohlicher wurde.

In seinem neuen Roman blickt Thomas von Steinaecker virtuos aus einer nahen Zukunft zurück auf unsere Gegenwart und zeigt, wie das Leben an uns vorbeirauscht, während wir um uns selbst kreisen. Hochaktuell erzählt „Die Privilegierten“ von einer Generation, die alle Möglichkeiten hatte und dennoch scheitert.

Thomas von Steinaecker, geboren 1977 in Traunstein, wohnt in Augsburg. Er schreibt vielfach ausgezeichnete Romane, Graphic Novels sowie Hörspiele. Außerdem dreht er Dokumentarfilme u. a. zur Musik des 20. Jahrhunderts und zur Kulturgeschichte Deutschlands, für die er internationale Preise gewonnen hat. Zuletzt erschienen 2016 der Roman „Die Verteidigung des Paradieses“, der für den Deutschen Buchpreis nominiert war, 2021 das Sachbuch „Ende offen“ und 2022 die Graphic Novel „Stockhausen: Der Mann, der vom Sirius kam“.

22:30 - 24:00 Uhr

Birgit Fuß: R.E.M. - Life And How To Live It

Die Geschichte einer Rockband, die (fast) keine Fehler machte.

Musikalische Begleitung: Tom Liwa (Gitarre)

Moderation: Frank Schäfer

Birgit Fuß© Friederike Göckeler

Es ist eine beispiellose Karriere: R.E.M. entwickelten sich von einer Collegeband aus Athens, Georgia, zu Rockstars – und sie haben dabei immer die Bedingungen selbst diktiert. Stets setzten Bill Berry, Peter Buck, Mike Mills und Michael Stipe auf Integrität und Kompromisslosigkeit. Sie erschufen neben Hits wie „Loosing My Religion“ Alben für die Ewigkeit – und definierten von 1980 bis 2011, was Alternative Rock ist. Dann hörten sie einfach auf. Ohne Not, ohne Groll. Werden R.E.M. die erste Band sein, die sich nicht für eine Reunion Tournee kaufen lässt? Und welches Vermächtnis hinterlassen sie, was bedeutet ihr Werk heute noch?  

Dem geht die „Rolling Stone“-Redakteurin Birgit Fuß auf die Spur. Sie hat in den vergangenen 20 Jahren immer wieder ausführlich mit den Musikern gesprochen und sie bei ihrer Studioarbeit getroffen. „R.E.M. - Life And How To Live It“ ist musikhistorischer Essay, Bandbiographie und Enzyklopädie in einem – und vielleicht sogar eine Anleitung für ein gutes Leben.

Birgit Fuß, 1972 in Fürstenfeldbruck geboren, ist Journalistin, Redakteurin und Schriftstellerin. Sie fing 1993 bei der Hamburger Morgenpost an zu schreiben und ist seit 23 Jahren Redakteurin bei der deutschen Ausgabe des ROLLING STONE. Sie hat Metallica, Lou Reed, Sting, Patti Smith und viele andere interessante Menschen begleitet. Nach London, Hamburg und München lebt sie momentan in Berlin.

Tom Liwa, 1961 in Duisburg geboren, betätigt sich neben der Arbeit als Songwriter und Sänger auch als Konzept-Musiker und Buchautor. Er hat mit den Flowerpornoes schon „Losing My Religion“ ins Deutsche übersetzt und ist mit dem Werk von Berry/Buck/Mills/Stipe mehr als vertraut.

Erläuterungen und Hinweise

Bildnachweise

  • Suhrkamp Verlag
  • Urban Zintel
  • Isolde Ohlbaum
  • Friederike Göckeler