Anerkennung - Beitrag 1013

Yellow Z, Berlin mit Holzwarth Landschaftsarchitektur, Berlin

Lageplan urbanes Quartier am Hauptgüterbahnhof Anerkennung - Beitrag 1013© Yellow Z, Berlin mit Holzwarth Landschaftsarchitektur, Berlin
Fußgängerperspektive Anerkennung - Beitrag 1013© Yellow Z, Berlin mit Holzwarth Landschaftsarchitektur, Berlin

Erläuterungen des Planungsteams

Anschluss an die grünen Ringe

Das Grünsystem der Stadt ist durch zwei grüne Ringe geprägt. Den inneren Ring bilden die ehemaligen Wallanlagen. Der Bürgerpark und Naherholungsgebiet Südsee sind die Anschlusspunkte für die Bahnstadt an dieses Netz. Vor allem die Gleisharfe und die damit mögliche Umsetzung des Ringgleises sorgt aber für einen Lückenschluss im Freiraumnetz. Die Freiräume im Güterbahnquartier vernetzen beide in dieses Freiraumsystem: im Norden über den Hauptfriedhof und im Süden zur neuen Brücke über das verbleibende Gleisfeld zur Gleisharfe. So entsteht ein außergewöhnliches Freizeitband für Sport und Aktivitäten um das Stadtgebiet.

Zwischen_Parks

Zwei Freiraumbänder stellen die Vernetzung zu den umliegenden Stadtgebieten her, nehmen aber auch die für das Quartier selbst notwendigen Freiraumnutzungen auf. Im Norden, im Übergang zum Quartier Ackerstraße, entsteht eine intensiv genutzte grüne Fuge mit Flächen für Gärten und Gardening-Projekte, aber auch notwendige Spiel- und Sporteinrichtungen. Die aktive Achse im Süden begleitet die geplante Trasse für den ÖPNV, Fuß- und Radverkehr. Hier sind eingestreute „Inseln“ für Sport und Aktivität im Übergang zur Grundschule und KiTa geplant. Auch die Mehrfachnutzung von Außen- und Sportanlagen der Schule ist möglich. Neben erforderlichen und eindeutigen Nutzungszuweisungen wird entlang der Wege und in den Wiesenräumen hinreichend Platz für informelles Spiel und Aufenthalt angeboten. Den verschiedenen Generationen werden so ausreichend Flächen zur Aneignung zur Verfügung gestellt, mit dem Ziel die Flächennutzung mit der neuen Stadtgesellschaft weiterzuentwickeln.

Die Trasse selbst erhält durch begleitende Versickerungsmulden und Baumreihen ein grünes Profil, welches gemäß des Stockholmer Systems den Wurzelbereichen deutlich mehr Volumen und Wasserzufuhr sichert. Die hierher geführten Niederschläge aus den befestigten Bereichen des Quartierkerns werden über die Bäume mikroklimatisch wirksam verdunstet und die Neupflanzungen zugleich klimaresilient hergestellt.

Regenwassermanagement

Regenwasser wird in den Gassen und Straßenräumen begleitend in offenen Rinnen und Verdunstungsbeeten geführt und vorretentioniert. Ausgehend von der zentral gelegenen Kreativgasse leiten die Beete das nicht verdunstete, überschüssige Regenwasser kaskadierend zu den Rändern des Plangebiets nach Norden und Süden. Im Zwischen_Park, am Übergang zum Quartier Ackerstraße, sind Flächen für das Regenwassermanagement vorgesehen, in denen die übrigen Niederschläge sukzessive versickert werden.

Vogelperspektive Anerkennung - Beitrag 1013© Yellow Z, Berlin mit Holzwarth Landschaftsarchitektur, Berlin

Kreative Gasse

Wesentlicher öffentlicher Raum des Entwurfs ist die im Zentrum des Gebiets gelegene Kreativgasse. Sie ist als autofreier Raum konzipiert. Als Neuinterpretation der vorhandenen Harkortstraße finden sich hier die vorhandenen Orte eines kreativ-gewerblichen Quartiers. Sie sollen auch als Pioniere einer Neuentwicklung des Areals erhalten bleiben. 

Insbesondere dient die H_LLE als Nukleus der Stadtwerdung und Kern der neu zu entwickelnden Quartiersöffentlichkeit. Der neue Quartiersplatz entwickelt sich im Anschluss an diesen vorhandenen, identitätsstiftenden Raum als vielfältig nutzbarer, urbaner Raum. Die Gasse und der Quartiersplatz erhalten mit ihrem Mobiliar und den großzügigen multicodierten Freiflächen für Spiel und Aufenthalt, eine eigene, lebendige Atmosphäre. Auf dem Quartiersplatz verdichten sich die Sitzblöcke der Gasse zu einer Bühne, welche das Quartierszentrum in den Freiraum erweitert. 

Mitte mit DIY-Charme

Die Gestaltung des Platzes und seiner Ränder transportieren den gewerblichen Charme des Quartiers mit einer kleinteiligen Mischung unterschiedlicher Angebote. Gegenüber der H_LLE entsteht ein ausschließlich gewerblich genutztes Objekt, das z. B. als Gründerzentrum dienen kann. Dieses wird um die Erd- und Sockelgeschosse der umliegenden Gebäude ergänzt, die gewerblich oder kulturell genutzt werden und eine kleinteilige Nutzungsmischung in vielfältigen Typologien bereithält. Über die H_LLE hinaus wird auch einer der Bahnschuppen als Event- und Kreativort und Identitätsstifter am Quartierseingang erhalten.

Lokal und überregional vernetzt

Die Lage in direkter Nähe zum Hauptbahnhof verspricht eine sehr hohe Erschließungsqualität. In wenigen Minuten Laufdistanz besteht die Anbindung an den Fernverkehr der Deutschen Bahn. Durch die Öffnung der RailCity für zu Fuß gehende ist eine Verbindung zum Hauptbahnhof von der Südseite möglich. Diese Qualität wird durch die neue Bus- und Tramführung von Westen ergänzt und so die Mobilität innerhalb der Stadt gestärkt.

Ausschnitt Lageplan Anerkennung - Beitrag 1013© Yellow Z, Berlin mit Holzwarth Landschaftsarchitektur, Berlin

Kompakte innere Verkehrsanlagen

Die Dimensionierung der Verkehrsanlange für den MIV erfolgt so knapp wie möglich. Die innere Erschließung des Quartiers folgt der vorhandenen Lage der Stephensonstraße und soll möglichst im Einrichtungsverkehr und nur für Anlieferung, Rettungsdienste und Feuerwehr genutzt werden. Die Reduktion der Verkehrsflächen erfolgt zugunsten von nutzbaren Aufenthaltsräumen und Flächen für das Regenwassermanagement. Die beiden Quartiersgaragen mit Mobility- Hubs stellen alle notwendigen Stellplätze direkt an den Quartierseingängen bereit. Auch die Stellplätze für den Nahversorger werden über Mehrfachnutzung dort abgebildet. Die Gebäude werden strukturell für eine langfristige Umnutzung ausgelegt. In Ihnen können auch die Energiezentralen des Quartiers untergebracht werden.

Diverse Wohnangebote

Die großzügigen Höfe bilden eine robuste städtebauliche Struktur, die bestens auf die vorgefundene Gemengelage reagieren kann. Sie nimmt vielfältige Typologien mit unterschiedlichen Wohnformen auf. Die versetzten und unregelmäßigen Baufelder unterstützen den kleinteiligen Charakter des Entwurfs. Es wird vorgeschlagen, die Blöcke trotz der zusammenhängenden Eigentümerschaften möglichst kleinteilig zu entwickeln und so eine heterogene Nutzerschaft anzusprechen. 

Höhenentwicklung mit Maß

Der Entwurf sieht eine maßvolle Höhenentwicklung der Blöcke im Bereich von vier bis sechs Geschossen vor. Es wird von unterschiedlichen Typologien und einer bewegten Traufkante ausgegangen. Drei Hochpunkte mit Fernwirkung antworten auf die vorhandene Höhenentwicklung nördlich des Hauptbahnhofs und setzen einen neuen Schwerpunkt der Stadtsilhouette südlich der Bahn. Das höchste Gebäude mit etwa 50 Metern dient als Blickpunkt nach der Querung der Gleise an der Helmstedter Straße. Die beiden niedrigeren Bauten definieren das Quartier selbst. Hinter dem Gebäude des Westermann-Verlags markiert ein Hochpunkt den Übergang ins Quartier und den Auftakt der grünen Achse zur Güterbahn hin. Außerdem bekommt die Kreativgasse mit einem Hochpunkt langfristig einen Zielpunkt auf dem DHL-Grundstück. 

Quartier zwischen Helmstedter Straße / Am Hauptgüterbahnhof

Der Teilraum zwischen Helmstedter Straße und der Straße Am Hauptgüterbahnhof fügt sich in den teils kleinteiligen Bestand gegenüber des Hauptfriedhofs ein. Organisiert wird die ergänzende Bebauung um einen zentralen Platz, der innerhalb des heterogenen Umfelds einen angemessenen Bezugsraum bereithält. Die großzügigen Höfe ermöglichen nach innen eine hohe Wohnqualität in direkter Nachbarbarschaft zur teilweise weiterhin gewerblich genutzten, angrenzenden Bebauung.

Atmosphärische Aufnahme während des Preisgerichts© Stadt Braunschweig

Beurteilung des Preisgerichts

Die städtebauliche Grundidee der Arbeit besteht im Wesentlichen aus drei Freiraumbändern unterschiedlicher Qualitäten und Nutzungen. Im Norden, an das Quartier der Ackerstraße angrenzend und im Süden entlang der Gleisanlagen werden grüne Freiraumbänder mit Spiel-Sport- und Freizeitnutzungen und Bereichen für Urban Gardening vorgeschlagen. Als zentrales Rückgrat des Quartiers entwickelt sich eine Kreativgasse, an der auch die bestehende H_LLE für kulturelle Nutzungen angelagert ist, in einer lockeren Abfolge von Plätzen unterschiedlicher Dimensionen. Der Arbeit gelingt es, mit dem Vorschlag der Kreativgasse als Mitte, eine starke freiräumliche Haltung zu entwickeln.

Zwischen der nördlichen Grünanlage und der Kreativgasse befindet sich eine Straßenverbindung, ebenso im Bereich des südlichen Grünraums entlang der Gleis- anlagen. Das Preisgericht kritisiert die damit einhergehende Übererschließung. Die räumliche Ausgestaltung der Kreativgasse könnte klarer sein, auch wird eine Bespielbarkeit auf ganzer Länge in Frage gestellt. Ansonsten sind die Außenräume gut dimensioniert und lassen eine hohe Aufenthaltsqualität erwarten.

Die Höhenentwicklung innerhalb des Quartiers ist insgesamt plausibel, die Dachlandschaft ist spannungsvoll und abwechslungsreich und wird dem Charakter eines urbanen Quartiers im hohen Maße gerecht. Die Hochpunkte am Eingangsbereich des Quartiers und am südlichen Ende der Kreativgasse sind städtebaulich gut begründet. Kritisiert wird, dass eine vergleichbare Sinnhaftigkeit bei dem baulichen Hochpunkt im Osten fehlt.

Dem städtebaulichen Konzept folgend werden die Erdgeschosszonen im Bereich der Kreativgasse gewerblich / kulturell genutzt, in den Obergeschossen wird Wohnen vorgesehen, rein gewerbliche Nutzungen konzentrieren sich entlang der Gleisanlagen. Die Grundschule ist im Ostteil verortet, von bestehenden Bauten zu den Gleisen abgesichert. Die Nutzungsmischung erscheint insgesamt plausibel und nachvollziehbar, Maßnahmen zum Klimaschutz bzw. zur Klimaanpassung werden vorgesehen, ebenso Vorschläge zum Niederschlagsmanagement. Das Konzept ermöglicht eine Umsetzung in sinnvollen Bauabschnitten.

Das angedachte Mobilitätskonzept sieht zwei Mobility Hubs im Norden an der Straße Am Hauptgüterbahnhof vor, wodurch der Kfz-Verkehr im Quartier weitgehend reduziert wird. Die angrenzenden Quartiere sind fußläufig und mit dem Rad engmaschig mit dem neuen Quartier vernetzt. Der hohe Versiegelungsgrad lässt hier jedoch eine zeitgemäße Auseinandersetzung mit Themen der Nachhaltigkeit vermissen.

Insgesamt handelt es sich um eine ansprechende Arbeit mit hohen freiräumlichen Qualitäten. Allerdings hält das Preisgericht die Potenziale der gewerblich / kulturellen Nutzungen in den Erdgeschossen der Kreativgasse für überbewertet.

Erläuterungen und Hinweise

Bildnachweise

  • Yellow Z, Berlin mit Holzwarth Landschaftsarchitektur, Berlin
  • Stadt Braunschweig