Zeit des Nationalsozialismus

Verhaftung des Oberbürgermeisters Ernst Böhme am 23.März 1933© Quelle: Stadtarchiv Braunschweig, Sign.: H XVI: H III 1f/1933

Bereits nach der Landtagswahl im September 1930 bildeten die Bürgerliche Einheitsliste (BEL) und die NSDAP im Land Braunschweig eine Koalition, mit der sie die bisherige SPD-Regierung ablösten. Von Seiten der NSDAP trat der eher gemäßigte Dr. Anton Franzen in die Regierung ein, wurde aber bereits am 15. September 1931 aufgrund einer Meineidsaffäre durch Dietrich Klagges abgelöst. Dieser war zuerst als Innen- und Volksminister tätig, bevor er am 6. Mai 1933 vom Reichsstatthalter Friedrich Loeper zum Ministerpräsidenten des Landes Braunschweig ernannt wurde. Klagges führte zusammen mit dem Rechtsanwalt Fritz Alpers (ab 1933 Justizminister) und dem späteren Landespolizeichef Friedrich Jeckeln ein äußerst brutales Regime. Die politische Gleichschaltung und Säuberung wurde durchgesetzt, aufkommender Widerstand u. a. durch Razzien, Verhaftungen, Prozesse und Folter im Keim erstickt. Potentielle politische Gegner wurden auf Dauer in Konzentrationslagern gefangen gehalten. Mit der totalen Machtübernahme der NSDAP am 30. Januar 1933 und dem Ermächtigungsgesetz vom 24. März begannen in der Stadt Braunschweig die ersten berüchtigten Terrorakte gegen SPD und KPD. Im Vorfeld war es in Braunschweig bereits am 13. März zur Amtsenthebung des Oberbürgermeisters Dr. Ernst Böhme gekommen. Am 23. März folgte seine Verhaftung, in deren Verlauf er schwer mißhandelt und anschließend in einem öffentlichen Triumphzug zum Gefängnis Rennelberg geführt wurde. Das sog. Volksfreundhaus in der Schloßstraße wurde zudem von der SA gestürmt, verwüstet und sämtliches Schriftgut vor dem Gebäude öffentlich verbrannt.

Siedlung Lehndorf© Quelle: Stadtarchiv Braunschweig, Sign.: H XVI: A V 5

Klagges Ehrgeiz, Braunschweig zu einer nationalsozialistischen Musterstadt auszubauen, hatte neben zahlreichen Bautätigkeiten auch zur Folge, dass verschiedene NS-Institutionen in Braunschweig angesiedelt wurden. Neben der Akademie für Jugendführung in der Wolfenbütteler Straße als Ausbildungsstätte des hauptamtlichen Führercorps der Hitlerjugend entstand auch der Reichsjägerhof Hermann Göring in der Buchhorst mit Wohnungen für die Beamten der Jagdverwaltung des damaligen Jagdgaues Braunschweig. Das ehemalige Residenzschloss wurde in Teilen zur SS-Junkerschule umfunktioniert. Zudem wurden Mustersiedlungen in Lehndorf und in der Südstadt sowie weitere Siedlungsbauten in den Randlagen Braunschweigs (Gartenstadt, Bastholzsieldung, Siedlung Mascheroder Holz, Vorwerksiedlung, Schuntersiedlung, Lindenbergsiedlung) angelegt. Sie dienten zum einen dazu, neuen Wohnraum für jene Arbeiter und Angestellte zu schaffen, die aufgrund industrieller und militärischer Ansiedlungen bzw. großer Verkehrsprojekte (z. B. VW, Niedersächsische Motorenwerke, Luftnachrichtenkaserne Querum, Rangierbahnhof) in die Stadt drängten, zum anderen zur Aufnahme der Einwohner aus der Innenstadt, die aufgrund der 1933 begonnenen Altstadtsanierung umgesiedelt werden mussten. Im Verlauf dieser bereits seit längerer Zeit geplanten Sanierung, die aufgrund der inzwischen untragbaren hygienischen Zustände und der vorherrschenden räumlichen Enge notwendig geworden war, gingen 25 % des vorhandenen Wohnraums verloren. Die betroffenen Einwohner mussten ihre Häuser aufgeben und zogen größtenteils in die neuen Siedlungsgebiete am Stadtrand oder aber in die zwischen 1931 und 1934 eingemeindeten Ortsteile Veltenhof, Gliesmarode, Lehndorf, Melverode, Ölper, Querum, Riddagshausen und Rühme. Als Symbol für die Altstadtsanierung wurde 1939 auf dem neu geschaffenen Spielplatz Weberstraße/Lange Straße das so genannte Besenmännchen aufgestellt, eine vom Bildhauer Jacob Hofmann geschaffene Bronzefigur, die ein kleines unbekleidetes Kind mit einem Besen darstellt.

Fallersleber Straße Richtung Innenstadt 1944© Quelle: Stadtarchiv Braunschweig, Sign.: H XVI: H II 19

Die strategisch günstige Lage Braunschweigs, die Ansammlung großer Industrieunternehmen und die Nachbarschaft zu den neuen Industriestandorten Wolfsburg und Salzgitter sorgten während der nationalsozialistischen Herrschaft allerdings nicht nur dafür, dass die Industriebetriebe in der Stadt im Vorfeld und insbesondere im Verlauf des Zweiten Weltkrieges zahlreiche Aufträge für die Kriegsproduktion erhielten, sondern hatten auch zur Folge, dass Braunschweig für die alliierten Luftstreitkräfte zum Angriffsziel erster Ordnung wurde.

Kapitulationsvertrag vom 12. April 1945© Quelle: Stadtarchiv Braunschweig, Sign.: E 10

Zwischen dem 17. August 1940 und dem 10. April 1945 erfolgten insgesamt 40 Luftangriffe, in deren Verlauf mehr als 2.900 Luftkriegstote zu bedauern waren. Diese im Vergleich zu anderen Städten relativ geringen Verluste sind auf eine Vielzahl öffentlicher Luftschutzbauten (neun öffentliche Luftschutzräume und 24 öffentliche Bunker) zurückzuführen, die allerdings in der Regel den Einwohnern Braunschweigs vorbehalten waren. Den damals in fast jedem Industriebetrieb eingesetzten Zwangsarbeitern war der Zutritt untersagt. Sie mussten in den Betrieben oder aber in den Gemeinschaftslagern bleiben, wo sie den Luftangriffen schutzlos ausgeliefert waren. Die Zerstörung Braunschweigs durch die zahlreichen Bombardierungen war enorm. Zum Ende des Krieges lagen 35 % der Wohngebäude, 50 % der Industrieanlagen und 60 % der Kulturstätten (einschließlich der Verwaltungsgebäude) in Trümmern. Die Innenstadt war zu 90 % zerstört. Mit der Unterzeichnung der Kapitulationsurkunde durch den von Klagges am 11. April 1945 als Oberbürgermeister eingesetzten Rechtsanwalt Erich Bockler - der bis dahin amtierende Oberbürgermeister Hans-Joachim Mertens hatte sich am Morgen desselben Tages erschossen - und den stellvertretenden Polizeipräsidenten Karl Stahl endete am 12. April 1945 für Braunschweig die Zeit des Nationalsozialismus.

Erläuterungen und Hinweise

Bildnachweise

  • Quelle: Stadtarchiv Braunschweig, Sign.: H XVI: H III 1f/1933
  • Quelle: Stadtarchiv Braunschweig, Sign.: H XVI: A V 5
  • Quelle: Stadtarchiv Braunschweig, Sign.: H XVI: H II 19
  • Quelle: Stadtarchiv Braunschweig, Sign.: E 10