Vereinsheim

Das Südstadt – Vereinsheim an der Griegstraße.

„Nach 18 Monaten Bauzeit ist der Bürgertreff Griegstraße 50 (Südstadt) fertig. Er wird heute ab 16:00 Uhr eröffnet. Weit mehr als 2.000 ehrenamtliche Arbeitsstunden haben Mitglieder der Bürgergemeinschaft geleistet“
So berichtete die „Braunschweiger Zeitung“ am 28. Juli 2001.

Aus einer heruntergekommenen Steinbaracke war ein schönes, sauberes Heim für die Vereine in der Südstadt entstanden, wo künftig Vorstandssitzungen und andere Zusammenkünfte – evtl. auch Grillabende – stattfinden können.

Aber, was war hier in den Jahren zuvor?

An der Griegstraße entstand 1942 oder 1943, genau lässt es sich nicht feststellen, das Barackenlager, das von der Firma Büssing-NAG verwaltet wurde.

Im Lager befanden sich etwa 1.000 Arbeiter, darunter auch Frauen und Kinder, die aus den verschiedensten Ländern wie Frankreich, Holland, Polen, Russland, der Tschechoslowakei und Rumänien kamen.

Die Unterbringung erfolgte in Baracken mit sechs Stuben für je 18 Personen und zwei Stuben mit je zwei Betten.

Unmittelbar am „Lager Mascherode“ befand sich ein Kriegsgefangenenlager für sowjetische Staatsangehörige. 1943 bildeten hier 256 sowjetische Kriegsgefangene das „Kgf. Arbeitskommando Nr. 3431“.

Mitte Januar 1945 kamen ca. 100 polnische Frauen und Kinder aus dem Gemeinschaftslager der Braunschweiger Industrie welches sich in der Dietrich-Klagges-Stadt – heute Gartenstadt – befand, in das „Lager Mascherode“. Die Menschen stammten aus Warschau, von wo aus sie nach Ausbruch des Warschauer Aufstandes nach Deutschland deportiert waren.

Nach dem Einmarsch der amerikanischen Truppen im April 1945 zog ein Teil der Arbeiter in die „Roselies-Kaserne“, während der andere Teil in die Heimat zurückkehrte. Die Baracken wurden im Laufe der Zeit bis auf eine abgerissen. Bis dahin dienten sie Flüchtlingsfamilien als notdürftige Unterkunft.

Durch den angestiegenen Zuzug von Aussiedlern kam es in der Stadt Braunschweig zu Schwierigkeiten bei ihrer Unterbringung. Freier Raum stand nirgends mehr zur Verfügung. Nach langen Verhandlungen gelang es der Stadt Braunschweig, ein Gelände hier an der Griegstraße zu pachten, auf dem zehn Holzreihenhäuser errichtet werden sollten.

Mit dem Bau der ersten sechs Häuser wurde Mitte 1957 begonnen. Die ersten zwei Häuser konnten bereits am 19. August 1957, das letzte Haus am 13. September 1957 bezogen werden. Nachdem noch einmal vier Holzreihenhäuser in der Zeit vom 18. November 1957 bis 8.Januar 1958 bezogen werden konnten, hatten 102 Familien mit 325 Personen eine Unterkunft erhalten. Das Lager war ausschließlich für Aussiedler bestimmt.

Um nicht den Eindruck eine Baracken-Massen-Unterkunft entstehen zu lassen, wurden seitens der Stadt Braunschweig – Stadtgarten- und Friedhofsamt – ausgedehnte Grünanlagen mit Rasenflächen, Sträuchern und Bäumen geschafften. Für Kinder wurden Sandkästen angelegt, sowie Turn- und Klettergräte aufgestellt.

Im Schnitt war das Lager in jenen Jahren mit 300 bis 400 Personen belegt. Als Dauerwohnung war die Unterkunft nicht vorgesehen. Die Familien sollten so schnell wie möglich eine normale Wohnung erhalten.

In der Advents- und Weihnachtszeit hatte die Bürgergemeinschaft Südstadt e.V. immer wieder Bewohner des Aussiedlerlagers zu einer besinnlichen Stunde eingeladen. Hierbei wurden auch kleine Geschenke überreicht. Kinder der Südstadt und der Volksschule Mascheroder Holz trugen Lieder und Gedichte vor.

Da wegen der Baufälligkeit einzelne Häuser frühzeitig abgerissen werden mussten, beschloss der Stadtflüchtlingsrat im August 1987, das Übergangswohnheim Griegstraße aufgrund seines schlechten baulichen Zustandes schrittweise aufzugeben. Noch im Oktober 1987 wurden zwei Holzhäuser abgerissen, 1994 zogen die letzten Bewohner aus der Griegstraße aus und im Jahre 1995 war auch das letzte Haus verschwunden.

Kleinere Gewerbebetriebe begannen nach dem Kriege in der nicht abgerissenen Baracke mit ihrer Produktion. In der jetzigen Steinbaracke eröffnete Herr Etarsky 1947 eine Baustoff- und Kohlenhandlung. Viele Familien in der Südstadt wurden von der Firma Etarsky, insbesondere in den schlechten Jahren, als die Brennstoffe rationalisiert waren, mit Kohlen beliefert. Auch wer hier baute, ließ sich das Baumaterial von der Firma Etrasky bringen oder holte sich kleinere Mengen selbst.

1979 wurde der Betrieb von der Firma Waßmann übernommen. Um den Betrieb effektiver zu gestalten und der Anlage mehr Sicherheit zu geben, wurde 1984 auf dem Bauhof eine Wohnung für die Familie Friedrich Lüers eingerichtet, die bis zum Jahre 1992 bewohnt war.

Bis 1998 diente die Anlage der Firma Waßmann zur Baustofflagerung. Danach stand die gesamte Liegenschaft (Hof und Gebäude) ungenutzt da.

Die Vereine in der Südstadt suchten schon jahrelang nach einer Möglichkeit, gemeinsam ein Vereinsheim zu bekommen. Jetzt bot sich hier die Gelegenheit, die Steinbaracke zu einem solchen Haus umzubauen.

Die Bürgergemeinschaft der Südstadt stellte daraufhin beim Liegenschaftsamt der Stadt Braunschweig den Antrag, die Genehmigung hierfür zu erhalten. Nach Ablauf von ca zwei Jahren war noch immer keine verbindliche Antwort eingegangen: der Verfall des Gebäudes schritt immer weiter fort.

Auf massives Drängen der Bürgergemeinschaft wurden die Verhandlungen mit dem Liegenschafts- und dem Bauordnungsamt wieder aufgenommen. Eine erneute Bewertung der Anlage ergab, dass die Bausubstanz nicht mehr besonders gut war.

Die Stadt Braunschweig war aber bereit, der Bürgergemeinschaft die Liegenschaft zu überlassen, wenn sie bereit war, diese wieder herzurichten. Der Vorstand der Bürgergemeinschaft erklärte sich bereit, trotz der schlechten Bausubstanz mit einer Eigenleistung von DM 10.000,-- seitens der Bürgergemeinschaft und ehrenamtlicher Arbeit die Steinbaracke wieder nutzbar zu machen.

Daraufhin wurde zwischen der „Bürgergemeinschaft Südstadt e.V.“ und dem Liegenschaftsamt der Stadt Braunschweig ein vorläufiger Nutzungsvertrag geschlossen. Die Bauarbeiten in der Griegstraße konnten beginnen.

Vorstandsmitglieder der Bürgergemeinschaft Südstadt e.V., Mitglieder der ansässigen Vereine sowie Freunde und Geschäftsleute haben die Steinbaracke gemeinsam vollständig saniert und wieder nutzbar gemacht.

Dank der ca 2.000 Stunden ehrenamtlicher Arbeit und materiellen Zuwendungen ist es gelungen, nach eineinhalb Jahren Bauzeit im Juli 2001 die Liegenschaft Griegstraße 50 ihrer Bestimmung zu übergeben.

Ortsheimatpfleger Wilhelm Lehmann,
Bürgergemeinschaft Südstadt e.V. Willi Zimmer, 2002

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