Die Arbeitsbedingungen eines Opfermanns

Der Nachfolger vom Opfermann N e u n e r wurde Gustav Vollmer. "er war als Lehrer wie als Mensch - trotz mancher Schwäche - eine schätzenswerte Persönlichkeit." (Cramm 1933, S.20a)

Gemeinsam mit seinem Kollegen A.Heinemann schrieben die beiden 1900 eine Abhandlung über die Klassenstärken:„Statistisches über das Volksschulwesen im Herzogtum Braunschweig, Braunschweig 1900" deutlich, dass sich an den Zuständen nicht viel geändert hat. Herr Vollmer wußte wovon er schrieb, denn in Timmerlah mußte er parallel ca. 68 Kinder in einem Klassenraum beschulen.

"Dazu schrieb das Konsistorium 1888:, die übergroße Zahl von Schulkindern machte es selbst dem eifrigsten Lehrer unmöglich, in ausreichender Weise für Unterricht und Erziehung zu sorgen. Es müßte beizeiten darauf Bedacht genommen werden, solchen Übelständen Abhilfe zu verschaffen. Im Bericht 1892 beklagte das Konsistorium, daß in einzelnen Landgemeinden die von einem Lehrer zu unterrichtende Zahl so groß sei, daß für Unterricht und Erziehung nicht in ausreichendem Maße gesorgt werden könnte" (Kirche v. unten)

Doch damit war die Arbeit eines Lehrers nicht beendet, sondern weitere Aufgaben, die der "niederen Küsterdienste" warteten auf ihn:
„Anschlagen der Betglocke, Läuten bei Sterbefällen, Beerdigungen, Taufen und Trauungen, Sturmläuten, Warten der Kirchenuhr, Beschaffung warmen Wassers für die Taufe, Aufstellen und Fortschaffen der Kniebank oder des Kniekissens, Begleitung des Geistlichen zu Haustrauungen und bei Begräbnissen, Öffnen, Schließen und Lüften der Kirche Ausschmücken der Kirche bei festlichen Gelegenheiten, Abholen der Gesangbuchnummern und Anschreiben oder Anstecken derselben, Anzünden und Auslöschen der Kirchenbeleuchtung, Aufstellen und Fortschaffen der Opferstöcke sowie der Sammelteller bei Kollekten, Reinigen der Kirchengeräte, an Filialorten die Bestellung des Fuhrmanns zum Abholen des Geistlichen." (ebenda)

Cramm erwähnt in dem Zusammenhang, dass die Opferleute auch Organisten waren. "Früher eine Ehre für den Lehrer, die Orgel spielen und die Gemeinde im Gesange führen zu können, ist es einem grossen Teil der Lehrer heute eine Fessel; muss man doch Sonntag für Sonntag am Platze sein oder für Vertretung sorgen, wenn man mal etwas vorhat." (Cramm, Bd.3, S.24) Weiter weißt er auf die Probleme zwischen Schule und Kirche hin: "Schade ist überhaupt, dass die Verbindung zwischen Schule und Kirche durch Heissporne hüben und drüben und durch politische Einflüsse gestört ist." (ebenda)

"Auf dem 8. Deutschen Lehrertag in Berlin 1890 wurde eine Resolution angenommen, wonach die sog. niederen Küsterdienste in keinem Zusammenhang mit dem Lehrerstande stünden, sie wären „entwürdigend für seine Stellung". Die niederen Küsterdienste sollten einem Lehrer nicht mehr übertragen werden. 1891 schickte der Vorstand des Braunschweiger Lehrervereins eine weitgehendere Eingabe an das Herzogliche Konsistorium, nämlich alle kirchlichen Dienstleistungen mit Ausnahme des Organisten-, Kantoren- und Lektorenamtes dem Lehrer abzunehmen. Es kam zu Verhandlungen zwischen dem Lehrervereinsvorstand und dem Konsistorium.
Sogar die Lutheraner behandelten die Sache in ihrem Vereinsblatt und empfahlen, auf die Trennung des niederen Küsterdienstes vom Lehreramt „als eine mit der socialen Stellung des Lehrers nicht verträgliche empfundene Bürde" wohlwollend einzugehen."(ebenda)
Doch die Kirche (und die Pastoren) konnte noch entscheidenden Einfluss auf die Gesetzesvorlage nehmen und sich trotz der Verabschiedung in der Landesversammlung 1898 bis 1902 gegen Veränderungen wehren.

"Die Gesetzesvorlage hatte als häßlichen Geburtsfehler, daß den entlasteten Lehrern im Kirchendienst in Zukunft bis zu 25 %, aber nicht mehr als 50 Mark monatlich vom Lohn abgezogen werden sollte. Dieser Betrag floß in die Kirchenkasse und diente als Entlohnung des Küsters."(ebenda)

Erst 1902 behandelte die Landessynode das Gesetz und nahm es "nach sehr kurzer Debatte" (ebenda) an. "Die schulstatistische Erhebung von 1905 vermerkt, daß noch 224 Lehrerstellen mit den niederen Kirchendiensten verbunden und das Gesetz von 1902 noch nicht zur Anwendung gekommen wäre. Das deutet auf die schwierige finanzielle Situation der Gemeindeschullehrer hin, die auf die 50 Mark, die sie der Kirchenkasse abgeben sollten, dringend angewiesen waren. Die Entlastung war offenkundig auch nicht so erheblich. Alle mit Altar und Kanzel verbundenen Verrichtungen wie Paramente an Altar und Kanzel anbringen, die Taufschale und Abendmahlsgeräte aufstellen reinigen und verschließen, den Altar zu festlichen Zeiten besonders schmücken u.a.m. blieben bestehen." (ebenda)

Der bereits eingeführte Opfermann Gustav Vollmer hat diese Entwicklung seit 1893 in Timmerlah mit erlebt.

Mit erlebt hat er auch den oben skizzierten Schulneubau und damit die Verbesserung der räumlichen Unterrichtssituation!

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